Die Rache der Horden
bei diesem ganzen Regen.«
»Ein zweifelhafter Segen«, pflichtete ihm Casmar bei.
»Vater, falls Sie ein Gebet für gutes Wetter kennen, wäre ich Ihnen wirklich dankbar.«
»Morgen in der Frühmesse, mein Sohn.«
Andrew nickte dankbar.
Sie hatten den großen Platz erreicht. Die Atmosphäre hier war gespenstisch, die Stadt dunkel und unheimlich, wie es nur eine verlassene Stadt sein kann. Andrew hatte das Gefühl, dass die Geister hier alles übernahmen.
»Wie steht es um die Fabriken?«
»Seit gestern komplett zerlegt und abtransportiert.«
»Und das Material der Regierung?«
»Alles weg«, antwortete Bill Webster. »Die Geldpressen, ein kompletter Güterwagen voller Papier für Bekanntmachungen und Formulare, der übliche Müll, der bei einer Bürokratie anfallt, einschließlich der Akten. Das Gleiche gilt für den Staatsschatz und die öffentlichen Gesellschaften.«
Andrew schüttelte den Kopf. Es war nur schwer vorstellbar, dass mehrere Waggons für derlei Dinge benutzt werden mussten, aber falls sie den Staat jemals neu aufbauen wollten, brauchte man sie noch.
»Was haben wir vergessen?«, fragte Andrew leise.
Der Kreis der Männer blieb einen Augenblick lang schweigsam.
»Eine Möglichkeit, auch unsere Stadt zu retten«, sagte Jaro traurig, einer der Senatoren.
»Ich wünschte, wir könnten es«, flüsterte Andrew und blickte sich auf dem Platz um und zum Dom hinüber. Die wunderbare, von Hawthorne konstruierte Uhr tickte hoch über ihnen die Minuten herunter, die Glockentöne abgeschaltet, damit man sie nicht als Warnung vor einem Angriff durch Aerodampfer missdeutete.
Fanden sie hier, wenn sie später zurückkehrten, nur noch brandgeschwärzte Ruinen vor? Würden sie überhaupt je zurückkehren, oder waren sie zu einem Dasein als Flüchtlinge verdammt wie die Zehntausende von Wanderern, die fortwährend vor den Horden auf der Flucht waren?
»Der endgültige Abzug beginnt morgen, meine Herren. Wir sollten jetzt alle lieber etwas schlafen.«
Andrew blickte nach oben. Die Wolkendecke brach auf; Wind blies aus Südwesten, und das Große Rad zeichnete sich klar am mitternächtlichen Himmel ab.
»Morgen wird ein guter Flugtag für sie«, sagte John. »Sie werden aufsteigen und höchstwahrscheinlich alles entdecken.«
Andrew nickte, wandte sich ab und kehrte allein zu seinem Haus zurück.
Kapitel 10
»Ich dachte mir, ich schneie mal herein und erkundige mich nach meinen Musketen«, sagte Vincent trocken.
»Das ist Johns Aufgabenbereich, nicht meiner«, antwortete Chuck und reagierte leicht nervös auf Vincents nicht angekündigten Besuch.
»John steckt fünfhundert Kilometer entfernt von hier fest. Ich erhalte seit Tagen keine Antwort mehr. Ich habe gestern einen Wagen mit eintausend Musketen direkt aus der Fabrik in Roum nach Westen fahren gesehen. Und gottverdammt, ich möchte den Grund dafür erfahren!«
Die Arbeiter im Schuppen wurden still und warfen Vincent Blicke zu, als hätte er mitten in einem Gottesdienst losgeschrien.
Chuck forderte ihn mit einer Handbewegung auf, ihm nach draußen ins Licht des frühen Morgens zu folgen.
»Stören Sie ja nicht meine Leute«, mahnte ihn Chuck mit kalter Stimme. »Da drin wird Präzisionswerkzeug hergestellt. Wenn jemandem die Hand ausrutscht, ist damit die Arbeit eines Tages, womöglich gar einer Woche ruiniert.«
Vincent entschuldigte sich nicht, sondern sah ihn wütend an.
»Fast die Hälfte meiner Leute steht nach wie vor ohne Waffen da! Wie soll ich mich da sonst fühlen?«
»Ich weiß das, Vincent«, sagte Chuck beruhigend.
»Und was zum Teufel führen Sie eigentlich hier oben im Schilde? Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie hundert Leute aus der Waffenfabrik in Roum abgezogen haben. Das läuft, so wie ich es sehe, auf eine Menge Waffen hinaus, die nicht hergestellt werden. Das Pulver wird knapp, eine der Schmalspurlokomotiven ist verschwunden, und nirgendwo kann man mehr Zinn auftreiben. Man munkelt, dass Sie hier oben eine Geheimfabrik errichten, draußen hinter dem alten Ballonwerk.«
Chuck verzog das Gesicht und zuckte die Achseln – eine ziemlich armselige Darstellung gespielter Unschuld.
»Weiß John etwas davon?«
»Ich habe Vollmacht von Andrew erhalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, die ich für nötig halte, um bestimmte Dinge zu erreichen.«
»Das klingt gar nicht nach Andrew. Gewöhnlich fasst er seine Befehle präzise ab.«
»Nun, er hat es aber gesagt«, erwiderte Chuck und klang dabei nach einem Schuljungen,
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