Die Rache der Horden
kommen, werden wir glauben, uns hätte ein Wirbelsturm getroffen«, sagte Hans leise. »Jetzt weiß ich, wie sich die Rebellen gefühlt haben. Egal wie viele von uns sie umbrachten, wir sind einfach weiter angestürmt. Wir waren eine der am schlechtesten geführten Armeen der Geschichte – man denke an McClellan, Burnside, Hooker-, und trotzdem sind wir einfach immer weiter angerannt.«
»Womit Sie sagen möchten, dass wir diesmal verlieren werden«, sagte Andrew und bemühte sich um einen Ton, der die Erschöpfung nicht verriet.
Hans blickte ihn an und lächelte müde.
»Seien Sie diesmal auf alles vorbereitet, mein Junge. Seien Sie vorbereitet, hier geschlagen zu werden, auch bei Station Wilderness und sogar bei Suzdal. Seien Sie bereit, in den Wäldern unterzutauchen, falls alles andere verloren ist. Die Merki brauchen unsere Armee nur einmal zu schlagen, denn wir haben keine Reserven. Oh, ich weiß, dass sich die Roum im Drill befinden, aber sie hatten nur sechs Monate Zeit, und die Hälfte ihrer Divisionen wird Musketen mit glatten Läufen führen, weil wir Gewehre nicht schnell genug herstellen können.«
»Hans, Sie glauben das wirklich, nicht wahr?«, fragte Andrew leise.
Hans zeigte ihm ein hartes Gesicht und trat näher heran.
»Sir, Sie haben den Kuss der Götter auf die Stirn erhalten«, sagte Hans. »Speziell den eines tötenden Gottes, der nie den Geschmack der Niederlage gekostet hat. Vielleicht ist der Geschmack der Niederlage jedoch zuzeiten gut für einen Menschen – zu viele Siege schwächen ihn in gewisser Weise.
Womöglich geht es auch darauf zurück, wie ich Sie geschult habe. Ich möchte Sie warnen, Ihnen deutlich machen, dass es diesmal nicht leicht wird. Sie müssen in Bahnen denken, in denen Sie noch nie gedacht haben, denn falls unsere Armee zu zerfallen droht, wird niemand außer Ihnen sie zusammenhalten können. Die Rus sind von vier Jahren Krieg erschöpft – sie werden nicht mehr mit der wilden Entschlossenheit ins Feld ziehen wie beim ersten Mal. Ich denke, die Merki wissen das und werden damit spielen. Diesmal wird es die Hölle.«
»Und Sie möchten mir damit sagen, dass Sie die Hoffnung verloren haben.«
»Ich bin alles einfach zu leid geworden«, sagte Hans, und während er das sagte, wurde Andrew zum ersten Mal richtig bewusst, dass sein Freund langsam alt wurde. Eine leichte Spur von Gebrechlichkeit klang in der Stimme des Sergeants durch. »Wissen Sie, ich hatte ursprünglich gedacht, in meinem Alter wäre ich endlich im Ruhestand. Ich hatte geplant, nach Westen zu ziehen, nach Kalifornien – es gab dort gutes Land –, und vielleicht zu heiraten und ein Geschäft zu gründen, eine Kneipe oder so was.«
Andrew lachte leise.
»Sie, ein Ladeninhaber? Sie sind ein Soldat, Hans; verdammt, ich könnte mir vorstellen, dass Sie schon von Anbeginn der Geschichte an Soldat waren und in hundert Jahren immer noch sein werden. Sie sind der ewige Sergeant.«
»Ich bin auch nur ein Mensch, Andrew.«
»Irgendwie denken diese Leute dort hinten …« Und Andrew deutete über die eigene Schulter. »… sowohl von Ihnen als auch von mir anders.«
»Darin liegt das Problem, Andrew, denn ich bin nicht so.«
»Und ich?«
»Sie können sich nicht erlauben, etwas anderes zu sein, als was Sie jetzt sind; dafür habe ich Sie ausgebildet, dafür hat das Schicksal Sie ausersehen.«
»Kaum ein Trost«, flüsterte Andrew.
»Es ist nicht mehr meine Aufgabe, Sie zu trösten. Darüber sind Sie hinaus. Zeigen Sie auch nur eine Spur von Schwäche bei dem, was uns bevorsteht, und alles fallt auseinander. Gott helfe uns, aber wir brauchen einen solchen Einsatz von Ihnen.«
»Und von Ihnen, Sergeant«, flüsterte Andrew. An wen nur wende ich mich jetzt?, fragte er sich. Sein Inneres war taub geworden. Wo finde ich jetzt weiter Kraft?
»Ich werde mich bemühen«, sagte Hans leise. »Ich zeige nach außen den Draufgänger und schlage weiterhin Köpfe zusammen, wenn es nötig wird. Aber diesmal, Andrew, diesmal spüre ich wirklich kalte Angst, wenn ich an den Angriff der Horden denke, und …« Seine Stimme verklang, als er sich abwandte und wieder über die Brüstung hinausblickte.
Der dünne schrille Ruf einer Zugpfeife, gedämpft vom Sturm, störte Andrews Gedanken, und er wandte sich wieder an Hans.
»Das müssen sie sein.«
Ein beißender Windstoß erhob sich und jagte ihm einige Spritzer kaltes Wasser über den Rücken. Er zitterte.
»Verdammt, mein Junge, ich bin herausgekommen, um
Weitere Kostenlose Bücher