Die Rache der Horden
trocken.
Neben Bullfinch saß Vater Casmar, Prälat und Richter am Obersten Gericht, der schlichte schwarze Roben ohne Verzierung trug und Andrew jetzt lächelnd zunickte.
»Geht es Ihnen gesundheitlich wieder besser?«
»Danke, Vater, ich fühle mich besser.«
»Als die Nachricht von Ihrer Erkrankung eintraf«, berichtete Kai beifällig, »hat Vater Casmar täglich ein Hochamt für Ihre Genesung gelesen.«
»Die Kraft Ihrer Gebete ist mir zuteil geworden«, sagte Andrew offen.
»Um ehrlich zu sein, waren es Gebete für uns alle, denn ohne Sie, mein lieber Freund, wären wir alle wirklich verloren.«
Andrew sagte dazu nichts, wusste wie immer nach einer solchen Aussage nicht, wie er reagieren sollte.
In der hintersten Ecke der Wagenkabine erblickte Andrew Chuck Ferguson und neben diesem Jack Petracci. Der junge Ingenieur, die treibende Kraft hinter so vielen technischen Innovationen, blickte mit so leuchtenden Augen um sich wie eh und je, als wäre er bereit, ihnen wiederum neue Wunder zu eröffnen. Andrew dachte an die Zeit zurück, als der junge Chuck gerade erst in den Krieg gezogen war, den alten Krieg mit der Potomac-Armee auf der Erde. Damals fand Andrew, dass er den Letzten vor sich hatte, der ein guter Soldat zu werden versprach. Chuck war meist krank und erholte sich jeweils gerade vom letzten Schub einer der zahlreichen Lagerkrankheiten. Wenn er nicht im Lazarett lag, schleppte er sich auf dem Marsch mit, und meist trug dabei Sergeant Barry oder ein anderer die Muskete für ihn. Und doch weigerte sich Chuck hartnäckig, den Dienst zu quittieren. Mehr als einmal bot ihm Andrew einen Platz in der Etappe an, in einer Quartiermeister-Einheit, und jedes Mal antwortete Chuck entrüstet, er gedächte seinen Beitrag zu leisten. Gott sei Dank war er geblieben und hatte überlebt, dachte Andrew und lächelte den Soldaten an, der seit ihrer Ankunft auf diesem Planeten keinen Schuss mehr in einer Schlacht abgefeuert, vielleicht aber mehr als alle anderen zusammen dazu beigetragen hatte, dass ihnen die Schlachtgruben des Feindes erspart blieben.
Auch Hamilcar war hier und schien förmlich mit den Schatten zu verschmelzen. Kai und Hans hatten sich lautstark gegen seine Teilnahme an der Konferenz ausgesprochen, aber Andrew war stur geblieben. Vor gerade mal sieben Monaten war der Mann noch ihr Feind gewesen und hatte sie an den Rand einer Niederlage getrieben. Und doch erwies er sich jetzt womöglich als einer der Schlüssel zum Sieg. Fast vierzigtausend Carthas waren nach Suzdal gezogen und hatten sich an der Grenze zwischen der Republik und Roum an der Küste angesiedelt. Ihre Überfalle auf das alte Heimatland, bei denen sie ihr Volk zu retten versuchten, waren eine stete Quelle des Ärgernisses für den Feind und zugleich eine wertvolle Informationsquelle. Andrew wollte Hamilcar jeden Zweifel daran nehmen, dass man ihn im Bündnis akzeptierte und Cartha heute streng genommen als verbündete Stadt unter feindlicher Besatzung galt. Natürlich wäre das unmöglich gewesen, falls auch Marcus teilgenommen hätte, so tief war die Feindschaft zwischen Roum und dem früheren Feind. Obwohl Hamilcars Hass auf die Merki unübersehbar war, wusste Andrew aber auch, dass der Mann höchstens rudimentäres Rus beherrschte und er nach dieser einleitenden Sitzung nicht mehr dabei sein würde, wenn man Karten und andere geheime Informationen auf dem Tisch ausbreitete.
»Meine Herren, uns stehen zwei lange Tage bevor«, sagte Andrew leise, »also fangen wir lieber an.«
Er nickte dem jungen Steward dankbar zu, der jetzt aus der winzigen Kombüse neben dem Telegrafenbüro kam und ein Tablett voller schwerer Tonkrüge trug, gefüllt mit dem traditionellen dunklen, aromatischen Tee der Rus. Der Steward blickte erst Emil an und wartete auf dessen Nicken, ehe er auch Andrew einen Krug hinstellte.
»Endlich von dieser verdammten Brühe befreit!«, seufzte Andrew.
»Seien Sie aber vorsichtig«, mahnte Emil. »Nicht zu viel Tee, und achten Sie darauf, auch etwas zu essen.«
Andrew fand es unnötig, sich mit dem Doktor zu zanken, da nun ein zweiter Steward ein Holztablett mit dunklem Brot vor ihn stellte. Das Brot war dick mit frischem Käse belegt, ein seltener Leckerbissen für die Rus, da der erste Krieg den größten Teil ihres Viehbestandes vernichtet hatte, der erst jetzt allmählich wieder auf die alte Stärke anwuchs. Kai achtete stets darauf, einer Tafel vorzusitzen, die nicht besser bestückt war als die der normalen
Weitere Kostenlose Bücher