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Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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Neue hinein. Erst strampelte der Mann mit den Beinen, dann zappelte er mit den Armen. Mit einer Lässigkeit, die an Arroganz grenzte, führte Sharg den Ujta Eag auf, den Geistertanz, und demonstrierte auf diese Weise, wie man den Tiergeist des Viehs einfing und ihn nach dem Willen des Schamanen führte. Jedes Mal, wenn er die Nadel einführte, flüsterte er Befehlsworte, die das Vieh ausführte. Stille herrschte in der Jurte, und selbst das übrige Vieh sah in lautlosem Grauen zu, wie ein Meisteraugur seine Kunst demonstrierte.
    Als Sharg sich wieder den Häuptlingen zuwandte, zeigte er ihnen ein Lächeln voll innerer Zufriedenheit darüber, wie er seine Aufgabe ausführte, und die Versammlung hämmerte mit den Fäusten auf die Tische, wiewohl sich mehr als einer offen nervös zeigte über diese Zurschaustellung unnatürlicher Kräfte. Sharg nickte Jubadi zu, kniete sich neben den Tisch und hielt das Ohr vor die Lippen des Viehs.
    Jubadi stand auf, beugte sich über den Tisch, nahm einen goldenen Löffel zur Hand und grub ihn an der Stirnseite ins Gehirn des Viehs. Der Mann ächzte und zuckte krampfhaft mit den Beinen. Jubadi kaute vorsichtig auf dem Mahl und nahm sich dann einen zweiten und einen dritten Löffel voll, grub immer tiefer hinein. Das Vieh klapperte jetzt mit den Zähnen, und ein gurgelndes Zischen kam ihm über die Lippen. Noch tiefer grub der Löffel. Jubadi nickte seinen Tischgefährten zu. Auch Tamuka packte den goldenen Löffel, der vor ihm lag, beugte sich vor und nahm sich vorsichtig einen Mund voll, sorgsam darauf achtend, nicht unterhalb des Schädelschnitts zu graben. Das Hirn war warm und schmolz im Mund, nachdem er ein paar Mal darauf gekaut hatte. Er nahm sich mehr und stieß dabei mit den Löffeln anderer Speisender zusammen, und beifälliges Grunzen war ringsherum zu hören. Die Häuptlinge und ihr Gefolge an den unteren Tischen sahen schweigend zu, und mehr als einem lief das Wasser im Mund zusammen vor Eifer, selbst zulangen zu können. Sharg sah lächelnd zu und hörte sich an, wie das leise Flehen des Viehs verklang, während sein Geist verschlungen wurde. Die Augen des Mannes weiteten sich vor Panik, als ihm die Sicht schwand, als die Essenz seiner Gedanken und seiner Seele verzehrt wurde.
    Die Hand des Schamanen zuckte vor und gebot den Speisenden Einhalt. Helfer traten vor, öffneten die Klammer und klappten den Tisch auseinander.
    Sharg fasste das Stück Vieh an den Händen und zog es auf die Beine.
    In der Jurte war es still, als Sharg hinter den Mann trat und ihm die Finger der rechten Hand in die Schädelöffnung legte. Der Mann erschauerte und verdrehte die blicklosen Augen, und ein Rinnsal Speichel lief ihm übers Kinn. Schlurfend wie ein Gespenst trat er einen Schritt vor.
    Selbst das übrige Vieh war still, die Augen vor Grauen weit aufgerissen über das Spektakel des Schamanen, der einen wandelnden Leichnam führte.
    »So soll alles Vieh von unserem Qar Qarth geführt werden!«, verkündete Sharg, und beifälliges Bellen folgte auf diese Worte, Ausdruck des Lobes auch für seine fürchterliche Gewalt über eine Kreatur, deren Geist schon verschlungen worden war. Er führte den Mann ins Zentrum der Jurte und hielt ihn an. Der Mann schwankte geistlos auf den Beinen, ein atmender Leichnam, von Sharg auf den Beinen gehalten.
    Ein junger Schamane trat vor, verbeugte sich tief und reichte Sharg eine goldene Feldflasche und eine flackernde Kerze. Der Schamane goß den Inhalt in den offenen Schädel und rief dabei, die Augen zum Himmel gewandt, in der alten Sprache seines Ordens die Ahnen an. Dann hielt er die brennende Kerze an den Schädel.
    Schreckensschreie entrangen sich dem übrigen Vieh, als eine Flammenzunge aus dem offenen Schädel stieg, als trüge der Mann eine hoch ragende Krone aus blauen und gelben Flammen, umhüllt von öligem Rauch. Zufrieden grinsend trat Sharg zurück, und der Mann stand da, während ihm Flammen aus dem Schädel schlugen, sich die blicklosen Augen verdrehten und krampfhafte Zuckungen den ganzen Körper erschütterten. Tamuka spürte einen Schauer der Angst, egal wie oft er schon Zeuge dieses Rituals gewesen war – es hatte etwas Gespenstisches an sich, wenn ein Geist, sei es auch nur der eines Stück Viehs, derart in einem brennenden Schädel verzehrt wurde, während noch Leben im Körper war.
    Die öligen Flammen waberten und erzeugten einen dunklen Qualm. Als verwandelten sich die Beine in Gelee, so sank der Mann schließlich in sich zusammen.

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