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Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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schöner, freundlicher Tag, ein solch ausgeprägter Kontrast zu den düsteren Gedanken, die Vincents Seele umwölkten.
    Die Männer machten einen passablen Eindruck für eine Truppe, die seit mehreren Monaten in Ausbildung war. Wie aber reagierten sie, wenn der Tod mit zweihundert Metern pro Minute auf sie zustürmte?
    »Haben wir jemals so ausgesehen?«, fragte Vincent, als läse er Dimitris Gedanken.
    Dimitri lächelte leicht. »Die meisten von uns konnten rechts nicht von links unterscheiden, damals, als das 5. Suzdalische aufgestellt wurde. Also haben Sie befohlen, dass wir uns Heu an einen Fuß banden und Stroh an den anderen. Heufuß, Strohfuß, so haben Sie uns gedrillt.«
    »Ich kann mich kaum noch daran erinnern«, sagte Vincent leise.
    »Und Ihre eigenen Yankees, haben sie jemals so ausgesehen?«, fragte Dimitri und bedachte Vincent mit dem Blick eines Vaters, der sachte bestrebt war, einen nervösen Sohn zu beruhigen.
    Vincent gestattete sich die Spur eines Lächelns. Gott, wie lange war das jetzt her? Die Zeit davor verschwamm etwas in seiner Erinnerung. Ja, so musste er selbst mal ausgesehen haben, ein ängstliches Kind, das unsicher die Muskete hielt und nicht richtig wusste, ob es überhaupt schießen, geschweige denn jemanden mit dem Bajonett niederstechen konnte.
    Wann hatte er zum ersten Mal jemanden umgebracht? In Nowrod, der Wachtposten auf der Mauer, als er flüchtete. Komisch, heute waren sie Bundesgenossen und gehörten derselben Republik an.
    Beim nächsten Mal tat er es beim Aufruhr auf dem Platz in Suzdal, dann im Krieg und als er den Staudamm in die Luft jagte. Waren es fünfzigtausend, die er damit umgebracht hatte? Vielleicht siebzig- oder achtzigtausend. Am Morgen danach konnte man auf Tugarenleichen den Neiper zu Fuß überqueren, so dick schwammen sie im Fluss. Der Gestank des Todes hing noch wochenlang in der Luft, und die Ufer waren nach wie vor übersät mit den Skeletten.
    »Nein, Dimitri«, flüsterte er, »ich erinnere mich nicht, jemals so ausgesehen zu haben.«
    »Aber das haben Sie. Vielleicht hat sogar der Colonel mal so ausgesehen, ein ängstlicher Rekrut, der in Tränen auszubrechen drohte.«
    Schwer, sich Keane als frisch gebackenen Rekruten vorzustellen, als Lieutenant – das 35. einst ein Mob aus verängstigten, aufgeregten Jungs, die im Begriff standen, den Elefanten zum ersten Mal leibhaftig zu erblicken, und von denen sich viele in die Hose machten, als zum ersten Mal eine Kugel vorbeipfiff.
    »Die Männer lernen es noch, wenn die Zeit reif ist. So, wie Sie es gelernt haben, wie wir alle es gelernt haben.«
    »Hoffen wir es, Dimitri; denn falls sie es nicht tun, landen alle unsere Ärsche im Feuer. Die Rebellen haben wenigstens Gefangene gemacht. Machen wir jedoch im Kampf gegen die Merki nur einen einzigen Fehler, sind wir alle tot – wir alle …«
    Seine Stimme verklang, und ein kalter, abwesender Ausdruck trat in seine Augen. Er trieb das Pferd weiter, vorbei am im Viereck aufmarschierten Regiment, und salutierte dabei vor den wartenden Offizieren, die starr Haltung annahmen, wo er vorbeiritt. Dimitri und der übrige Stab trabten hinterher. So ging es über das ganze Übungsfeld hinweg, und Vincent zügelte das Pferd schließlich vor der Brigade, die zum ersten Mal Taktiken in großer Formation übte. Einige Gesichter hier kannte er schon. Sogar ein alter Haudegen aus dem 35. war dabei, jetzt Brigadebefehlshaber. Hinter ihm flatterte ein dreieckiges Banner, ein weißes Kreuz auf rotem Grund für die 1. Brigade der 2. Division.
    Das war ein Hauch von der alten Armee des Potomac zu Hause, die Korpsabzeichen: das griechische Kreuz für das neu aufgestellte 6. Korps. Als er über die Schulter blickte, sah er den eigenen Fähnrich stolz die viereckige Flagge mit dem Goldkreuz auf dunkelblauem Grund halten, die kundtat, dass der Korpsbefehlshaber zur Stelle war.
    Seltsam, dass ausgerechnet das Kreuz für meine Einheit steht, dachte er, und kurz blitzte die Erinnerung an die toten Merki auf, die über dem Forum hingen. Die Männer des 35., die sich an die alten Bräuche erinnerten, hatten jedoch darauf bestanden, dass die neue Armee die gleichen Embleme trug wie die alte.
    »Strayter, schön, Sie zu sehen.«
    Roger Strayter erwiderte freundlich den Gruß. An Roger hatte er sich ein bisschen gewöhnen müssen. Der Mann war ein alter Haudegen aus den Reihen des 35. und diente seit Antietam in dem Regiment; aus Fredericksburg brachte er als Souvenir eine tiefe Furche in

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