Die Rache der Horden
teuer zu stehen kommen.«
»Sie anzuschreien, das ist eine Möglichkeit«, entgegnete Dimitri. »Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie Sie als mein Hauptmann weit bessere Führungseigenschaften durch ein ganz anderes Verhalten gezeigt haben.«
Vincent drehte sich im Sattel um. Er wusste, dass der alte Mann Recht hatte. Etwas löste sich in ihm auf -irgendwie war ihm die Freundlichkeit fremd geworden, die er früher so reichhaltig ausgestrahlt hatte. Sie war ihm abhanden gekommen, als er Kugeln in eine gequälte Gestalt am Kreuz jagte und dabei das Gefühl der Macht genoss, das damit verbunden war. Gott helfe mir!, dachte er. Werde ich je wieder sein wie früher?
Gibt es überhaupt einen Gott, der mich hört?
Er sagte nichts, sondern ritt schweigsam weiter, begleitet vom in Gedanken versunkenen Dimitri.
Er erwiderte nur andeutungsweise die militärischen Grüße der verschiedenen Einheiten, an denen er vorbeikam, und schien in einer anderen Welt versunken, einer dunklen Welt aus Feuer und Krieg, und die makellose Uniform war eine Hülle für diese neue Verkörperung des Mars.
Aus dem Westtor der Stadt kam ein Reiterzug zum Vorschein und galoppierte herbei. An der Spitze erkannte Dimitri sofort Marcus. Die Standarte des Konsuls der Patrizier, ein Adler auf Purpur, flatterte hinter ihm.
Vincent zügelte das Pferd, und ein nervöses Zucken erschütterte seine Wange – etwas, das immer häufiger wurde, wie Dimitri schon bemerkt hatte.
Mit grimmiger Miene stoppte Marcus neben Vincent.
»Es hat angefangen – bislang wurden zehn Umen gemeldet, die gegen das Zentrum der Potomac-Front vorrücken.«
»Gottverdammt!«, brummte Vincent und wendete das Pferd, um wieder dort hinüberzublicken, wo die Brigade erneut ein Schwenkmanöver probte.
»Noch drei Monate, bis wir fertig werden, und ich sitze hier draußen fest!
Und die Front südlich von uns?«, fragte er leise.
»Immer noch das Gleiche: nichts.«
Vincent nickte fast unmerklich.
»Sie werden schnurstracks angreifen. Sie haben diese verdammten Luftschiffe, und wir haben sie nicht. Sie wissen immer, was wir vorhaben, und wir selbst wissen nichts. Zur Hölle mit ihnen!« Er schlug sich mit der Faust auf den Schenkel.
»Noch etwas?«
Marcus schüttelte den Kopf.
»Wir bleiben hier, bereiten uns vor und warten wie geplant.«
Vincent schwieg und fluchte nur in Gedanken. Der Auftrag hier entsprach nicht seinen Wünschen, aber Andrew und Kai hatten ihn trotzdem dazu gezwungen. Zumindest waren Tanja und die drei Kinder hier in Sicherheit, fast tausend Kilometer hinter der Front. Nein, er hatte sich das alles überhaupt nicht gewünscht. Was von seiner Seele übrig war, das hatte ihn davor gewarnt und ihm geraten, um Enthebung von seinem Kommando zu bitten, damit er für seinen Schwiegervater irgendwo am Schreibtisch arbeiten und auf diese Weise seinen Beitrag leisten konnte.
Er schenkte diesem Rat jedoch nur wenig Beachtung, und täglich hatte er auf diese Leiche am Kreuz gestarrt, jene Kreatur, die er mit so viel Freude umgebracht hatte. Und täglich ritt er jetzt über diesen Übungsplatz und baute sein Korps auf. Er war kommandierender Major General und hatte damit denselben Rang wie jene Leute, über die er einst in Harper’s Weekly las:Hancock, Sedjwick, Pap Thomas von Chickamauga, der kleine Phil Sheridan. Er lächelte vor sich hin, wohl wissend, dass er den einen oder anderen äußeren Aspekt von Sheridan übernommen hatte. Gates’ Illustriertes Wochenblatt zeigte einen Holzschnitt von ihm auf dem Titelblatt, damals, als seine Beförderung verkündet wurde, und insgeheim hatte er sich über die Darstellung gefreut, bis hin zu dem an Sheridan erinnernden Bart. Und er wusste, dass er noch etwas übernommen hatte: das erbarmungslose Verlangen, eine Tötungsmaschine zu entfesseln und auf die Merki zu hetzen.
Und jetzt begannen die Kämpfe und er saß fast tausend Kilometer davon entfernt fest. Er blickte nach Westen, als könnte er irgendwie den Kanonendonner hören.
»Wir stecken bald genug mitten drin«, flüsterte er.
Dimitri schauderte es insgeheim, als er die Stimme seines Kommandeurs hörte, denn es war das Flüstern eines Liebenden, der sich nach der Umarmung des Todes sehnte.
Kapitel 4
»Prachtvoll!«
Jubadi Qar Qarth zügelte sein Pferd und drehte sich im Sattel zu Hulagar um.
Der Schildträger des Merki Qar Qarth konnte nur beifällig nicken, denn ungeachtet des Rates, den sein Tu womöglich erteilte, konnte sich der Ka-Geist
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