Die Rache der Jagerin
kreative Art verschwiegen hatte. Stattdessen drückte ich seine Hand und ermunterte ihn damit, fortzufahren.
»Das hat mich ein wenig beunruhigt«, fügte er mit einem gequälten Lächeln hinzu. »Niemand wollte mir sagen, was vor sich ging. Also habe ich mich selbst aus dem Krankenhaus entlassen. Draußen hat mich Phineas angesprochen. Er sagte, dass er zur Fabrik gegangen wäre, um dich dort zu treffen, wenn du dir bei den Gremlins die Informationen abholst. Er hätte dich nun in eine Decke gewickelt in seinem Bus liegen. Du warst so … anfangs habe ich nicht geglaubt, dass du noch am Leben bist. Schließlich sind wir hier gelandet, und Jenner hat einen vertrauenswürdigen Arzt gerufen.«
Einen Arzt? Ich schaute an ihm vorbei auf meine zugedeckten Beine. Ich wackelte mit den Zehen und stellte fest, dass sie sich bewegen ließen, wobei es in den Nerven juckte und zog. »Waren sie gebrochen?«, fragte ich.
»Beide, und zwar mehrfach. Sogar deine linke Kniescheibe war zertrümmert. Der Arzt hatte seine liebe Not, alles wieder so zurechtzurücken, dass es ordentlich zusammenwächst. Und wegen des Rauchs und der chemischen Dämpfe, die du eingeatmet hast, hattest du die ganze Nacht über Mühe, Luft zu bekommen.«
»Die ganze Nacht? Wie lange war ich denn bewusstlos?«
Er presste die Lippen aufeinander. »Jetzt haben wir Sonntagmittag.«
Verdammte Scheiße, dann war ich ja länger als einen Tag lang ohnmächtig gewesen! Meine Deadline für Rufus’ Rettung rückte unerbittlich näher, und Aurora hatte womöglich schon ihr Kind bekommen. Und wer konnte schon sagen, was Call und seine Spießgesellen getrieben hatten?
»Scheiße«, sagte ich. »Und gestern Abend in Park Place …«
»Da ist nichts passiert.«
Ich blinzelte verwirrt.
»Kismet hat die Gegend beobachten lassen. Gestern Abend ist niemand in dieses Gebäude hineingegangen oder herausgekommen. Was auch immer dort geplant war, wurde wahrscheinlich an einen anderen Ort verlegt.«
Weil Phin ihnen den Hinweis gegeben hatte. Weil er Schwarzhut gesteckt hatte, dass wir über Park Place Bescheid wussten. Mist, Mist und noch mal Mist. Wenn ich nicht so dermaßen erschöpft gewesen wäre, hätte ich vor Enttäuschung und Wut wahrscheinlich gegen die Wand geschlagen. Unsere letzte Spur war dahin. Es sei denn, es gelang mir, die verzogenen Gremlins ausfindig zu machen. Das Problem war, dass der Hafen am Black River mehr als eine Meile lang war, und ich hatte weder die Zeit noch die Mittel, dort alles abzusuchen.
Wyatt beugte sich vor und senkte den Kopf, so dass seine Stirn an meiner ruhte und sich unsere Nasen beinahe berührten. Er starrte mich an, und seine schwarzen Augen waren wie zwei Tintenfässer, sein warmer Atem roch nach Kaffee und strich mir übers Gesicht. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass mein Atem ebenso gut roch, doch er rümpfte die Nase nicht und wich auch nicht aus. Aus seiner Nähe gewann ich Kraft, und ich war froh, ihn an meiner Seite zu haben. Zusammen waren wir besser, als wenn wir einzeln kämpften.
»Vorgestern ist so viel passiert«, sagte ich leise. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Phin hat mir ein paar Einzelheiten berichtet. Er selbst hat auch eine erstaunliche Geschichte zu erzählen.«
»Ist er immer noch hier?«
»Ich glaube, er ist unten bei Aurora.«
Vor Überraschung machte ich eine schnelle Kopfbewegung. Dabei vergaß ich, dass wir uns so nahe waren, und unsere Nasen stießen zusammen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete Wyatt sich auf, und ich wollte mich, ungeachtet meiner verletzten Beine, ebenfalls aufsetzen. »Aurora und Joseph sind hier?«, fragte ich.
»Seit heute Morgen. Offenbar war es zu viel für Aurora, dass sie aus deiner Wohnung vertrieben wurde, und ihre Wehen haben eingesetzt. Die Werkatzen haben sie in eine Privatklinik gebracht und daraufhin die Zusammenkunft informiert, die wiederum Jenner benachrichtigt hat.«
»Der Phin davon erzählt hat.« Mit banger Erwartung sah ich ihn an. »Sie hat ein Baby?«
»Ein gesundes Mädchen, und sie ist bereits so groß wie eine Einjährige.«
Die Freude über die gute Geburt wurde von einer bösen Vorahnung zunichtegemacht. »Aber mein Handel mit Phin galt nur bis zur Geburt des Kindes. Was geschieht jetzt mit Rufus?«
»Vorerst nichts.« Phins Stimme versetzte mir einen Schreck, und selbst Wyatt zuckte zusammen. Phin war gerade so weit ins Zimmer getreten, dass er zur Hälfte von der Tür verdeckt war. Auf seiner linken Wange leuchtete
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