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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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Gegenstände aufeinander. Zwar wies die Vorderseite des Bildes nach unten, aber ich hatte es mir bereits beim ersten Anblick eingeprägt. Während ich hinstarrte, schwoll mir das Herz vor Dankbarkeit, und ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. Der Gedanke an etwas, das ich sehr vermisst hatte, ohne es bemerkt zu haben.
    »Wyatt, hast du die Ke…?«
    Er ließ sie vor meinem Gesicht baumeln, und das silberne Kreuz blitzte im Licht der Zimmerlampe auf. Ich nahm die Kette in die Hand und war erstaunt, dass ich so sehr an ihr hing. Zum Teil lag das an Chalices Liebe zu ihrem verstorbenen Freund. Aber es lag auch an meiner eigenen Sympathie für diesen Mann, den ich nur wenige Tage gekannt hatte. Die Kette war der einzige Gegenstand in meinem Leben, der einen emotionalen Wert für mich hatte.
    »Dann lasse ich Sie allein, damit Sie sich anziehen können«, meinte Jenner und ging hinaus.
    Ich hängte mir die Kette um. Dabei verfingen sich meine Finger in meinen verknoteten Haarsträhnen. Man hatte mich zwar gewaschen, so dass ich sauber roch, aber die Haare mussten dringend mal wieder gewaschen werden. Ich bezweifelte, dass sich die Zusammenkunft etwas aus meiner äußeren Erscheinung machen würde, aber ich selbst mochte keine fettigen Haare. Ohne mich durch Wyatts Anwesenheit aus dem Konzept bringen zu lassen, schlüpfte ich in frische Kleider, wobei ich mich für die jeweils schönsten Stücke aus dem Stapel entschied. Schwarze Jeans, ein weißes Tanktop und eine kurzärmlige Bluse zum Knöpfen. Das Haar flocht ich zu einem langen Strang, und da ich kein Haargummi hatte, band ich es mit einem Stück Heftpflaster zusammen. Wieder einmal blieb mir nichts anderes übrig, als die alten Sneakers mit all ihren Blut- und Rußflecken anzuziehen.
    Aus dem Spiegel über der Kommode schaute mir eine aufrechte Frau mit rosigen Wangen entgegen, die mir nicht länger fremd war. Zwar würde sie mich noch eine ganze Weile überraschen, aber immerhin fühlte ich mich wohl in ihrer Haut. In meiner Haut.
    Wyatt trat hinter mich. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. »Nervös?«, fragte er.
    »Nein. Warum?«
    »Weil du dich noch nie so kritisch betrachtet hast, bevor du jemandem zum ersten Mal unter die Augen getreten bist.«
    »Weil ich mich nie um mein Aussehen geschert habe. Ich habe mir selbst die Haare geschnitten, erinnerst du dich?«
    Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Was hat sich geändert?«
    »Was ist noch so, wie es einmal gewesen ist?«
    Seine Hand glitt an meinem Rücken hinauf, und er drückte meine Schulter. Ich lehnte mich gegen ihn, gegen seine Brust, und zum ersten Mal sah ich uns Seite an Seite. Meine braunen Haare und Augen neben seinen schwarzen Haaren und Augen. Meine mit Sommersprossen leicht gesprenkelte Nase neben seinem niemals weichenden Bartschatten. Wir waren beinahe gleich groß, und inzwischen lagen wir altersmäßig auch nicht mehr so weit auseinander.
    Doch unter der Oberfläche dieses neuen Körpers steckte noch immer eine unsichere zweiundzwanzigjährige Waise mit krankhaftem Aggressionspotenzial und einem frechen Mundwerk. Nie zuvor hatte ich mich in Wyatts Armen so wohl gefühlt. Dennoch hatte ich Angst davor, wo es uns hinführen würde, wenn ich diesem Wohlgefühl – scheiß drauf, diesem Verlangen – nachgeben würde.
    Wir warten einfach ab, was der Tag so bringt. Er hatte uns schon so oft an den Rand des Abgrunds, an die Grenzlinie zwischen Nachgeben und Leugnen, schlittern lassen, dass ich am liebsten geschrien hätte. Oder über die Absurdität schallend gelacht hätte. An meiner Seite war ein Mann, der mir seine Liebe gestand, der mich wollte, und ich hatte eine zweite (dritte? vierte?) Chance bekommen, mit ihm zusammen zu sein. Doch alles, was ich zustande brachte, war, ihn schweigend im Spiegel anzublicken und mich zu fragen, was verdammt noch mal mit mir los war.
    »Einen Penny für deine Gedanken?«, fragte Wyatt.
    Ich lachte laut heraus. »Kostet mindestens einen Dollar.«
    »Das wäre es mir wert.«
    »Ich denke, dass wir gehen sollten.« Ich drehte mich in seinen Armen um und legte meine Finger auf seine Brust. Seine Hände wanderten zu meinen Hüften hinab. Gleichzeitig bewegten wir uns aufeinander zu, und unsere Lippen fanden sich in vollkommener Übereinstimmung. Obwohl es ein ganz sanfter Kuss war, dem jede Wollust und Wildheit fehlte, kribbelte es mir doch in den Zehen. Ich spürte ihn, schmeckte ihn und sog seinen Geruch in meine Nase. Sachte streichelte seine Zunge

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