Die Rache der Jagerin
ihr jemanden zur Rechenschaft ziehen wollt, dann zitiert deren Ärsche hierher.«
»Damit würden wir riskieren, dass die Namen unserer Verbündeten unter den Menschen aufgedeckt werden«, gab Amalie zu bedenken. »Deine Vorgesetzten verheimlichen ihre wahre Identität aus gutem Grund, Wyatt Truman. Wenn wir die dunklen Völker weiterhin unter Kontrolle halten wollen, ist Geheimhaltung absolut notwendig. Von allen müsstest du das am besten wissen. Generäle werden sich niemals ausliefern, wenn sie die Möglichkeit haben, stattdessen einen Kapitän zu opfern.«
Ich kochte vor Wut und ballte die Fäuste so fest zusammen, dass mir die Hände weh taten. »Himmelherrgott, Rufus wird dafür nicht büßen. Auf gar keinen Fall. Die Kauzlinge sind nur wegen mir gestorben und wegen niemandem sonst.«
»Mag schon sein«, erwiderte Jenner. »Aber für die Zusammenkunft sind Sie nicht von Bedeutung.«
Bevor ich Jenner eine verpassen konnte, hatte Wyatt bereits die Arme um mich geschlungen und hielt mich zurück. Ich versuchte, mich aus seiner Umklammerung zu befreien, Zorn brannte lichterloh in meinem Innern. Diesem arroganten Mistkerl wäre ich am liebsten an die Kehle gegangen und hätte ihn erwürgt. Nicht weil er gesagt hatte, ich wäre nicht von Bedeutung – mir waren schon viel schlimmere Dinge an den Kopf geworfen worden –, sondern wegen seines gefassten, völlig unbeteiligten Tonfalls. Als ginge es um eine x-beliebige Sache und nicht um das Leben eines Menschen.
Jenner zog eine dünne, perfekt geformte Augenbraue hoch. »Sie sind ganz schön aufbrausend, was?«
»Das ist meine ruhige Seite«, stieß ich hervor.
»Ich wollte schon Einwände erheben«, warf Kismet ein. Der übliche Befehlston war aus ihrer Stimme gewichen und hatte einer Mischung aus Wut und Resignation Platz gemacht. »Die Hohen Tiere rufen mich nicht zurück, und der Feenrat unterstützt die Entscheidung der Zusammenkunft.«
»Und welche Entscheidung ist das?«, fragte Wyatt.
»Rufus wird frühestens am Montag aus dem Krankenhaus entlassen«, antwortete Amalie und stellte sich neben Jenner. Mit den beiden hochgewachsenen und so selbstsicheren Personen in der Mitte wirkte der Warteraum plötzlich viel kleiner. »Danach wird Rufus St. James bis zu seiner Bestrafung durch die Zusammenkunft in Gewahrsam genommen.«
»Was für eine Bestrafung soll das sein?«
Kismet schnaubte. »Sie wollen an ihm ein Exempel statuieren. Wir sollen dadurch nie vergessen, was passiert, wenn die Triaden irgendeine noch so unwichtige Linie überschreiten, die vom Feenrat gezogen wird.«
Amalies Augen funkelten kobaltblau. »Werde nicht übermütig, Kind. Einzig die Allianz zwischen den Holden und den Menschen erlaubt es euch, diese Welt zu beherrschen. In letzter Zeit sind unsere Beziehungen bestenfalls als angespannt zu bezeichnen. Nimm das Leben dieses Mannes nicht zum Anlass, diese Allianz vollständig aufzulösen.«
»Soll das eine Drohung sein?«, knurrte Wyatt, und die Wut, die er ausstrahlte, war fast greifbar.
»Lediglich eine Feststellung.«
»Schwachsinn«, sagte ich und löste mich aus Wyatts Umklammerung. Drei Tage. Drei beschissene Tage. Schon wieder! Steht mir das denn auf der Stirn geschrieben?
Ich stürmte nicht vor, sondern blieb in der Mitte des Zimmers stehen. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Obwohl Amalies Avatar mich um einen halben Kopf überragte, ließ ich mich dadurch nicht einschüchtern. Im Gegenteil, das stachelte meine Wut nur noch mehr an. »Ihr setzt eure Freundschaft zu uns als Druckmittel ein, um die Hohen Tiere dazu zu bringen, sich mit jedem Opfer einverstanden zu erklären. Und wenn wir das Kind beim Namen nennen, droht ihr, sie uns zu entziehen. Also: gequirlte Kacke. Natürlich war das eine Drohung.«
Nun erhob sich auch Jaron und vervollständigte das Dreigespann aus Hünen, das zwei Handlern und drei Jägern gegenüberstand. Er (sie?) sagte kein Wort, sondern starrte uns nur finster an.
»An Ihrer Stelle würde ich den Mund nicht so aufreißen«, sagte Jenner so gleichgültig wie eh und je.
»Wie gut, dass Sie nicht an meiner Stelle sind.« Ich erwartete jetzt ein warnendes »Evy« von Wyatt, doch ich kam ihm zuvor, indem ich rasch fragte: »Wer wird ihn bestrafen?«
»Am Montag wird er der Zusammenkunft übergeben«, meinte Jenner.
»Ja, Sie Wiederholungstäter, das habe ich bereits verstanden. Wer bestraft ihn?«
»Derjenige, der von Anfang an Wiedergutmachung gefordert hat.« Jenner schaute an mir vorbei zur
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