Die Rache der Jagerin
dass er mich angelogen hatte. »Ach ja? Und was ist mit deinen Freunden?«
»Ich bin seit Sonnenaufgang hier, du Schlampe.«
»Das war aber nicht nett.« Ich trat ein paar Schritte vor und rückte dem Tattoo-Typen so auf die Pelle, während ich gleichzeitig im sicheren Abstand zu den anderen blieb. »Schließlich habe ich dich gar nicht beschimpft, du Schwachkopf.«
Er knurrte. »Du und dein Lover, ihr wollt wohl ein bisschen bei uns mitmachen, was?«
»Danke, ich bin bereits Mitglied in einem Fitnessklub. Ein sehr schönes Studio übrigens. Du solltest dort mit deinen Freundinnen mal vorbeischauen.«
»Das habe ich nicht gemeint.« Er schürzte die Lippen, wobei zwei funkelnde Fangzähne zum Vorschein kamen. Dabei musterte er mich von oben bis unten, ohne zu vertuschen, dass ihm der Anblick gefiel. Sein anzügliches Grinsen ließ es mir kalt den Rücken herunterlaufen, doch ich verdrängte meinen Ekel – immerhin musste ich mich voll auf den Kampf konzentrieren.
Da fiel mir auf, dass ich einen tödlichen taktischen Fehler gemacht hatte: Ich hatte keine größere Waffe mitgebracht, nur das Messer an meinem Knöchel, an das ich nicht rasch genug herankommen würde.
Anscheinend hatte sich ein Anflug meiner plötzlichen Bedenken für alle sichtbar in meinen Gesichtsausdruck geschlichen: Auf einmal brüllte Tattoo etwas, und die versammelten Halbvamps stürzten sich auf uns.
»Lass dich nicht beißen!«, rief ich, spreizte Daumen und Zeigefinger der einen Hand und rammte sie dem ersten Boxer in die Kehle. Ihm traten die Augen hervor, und er torkelte röchelnd nach hinten.
Jemand packte mich von hinten und riss mich zu Boden. Ich zog die Beine an, rollte mich zur Seite, um den Angreifer auf meinem Rücken abzuschütteln. Alles um mich herum bewegte sich rasend schnell: Windstöße, Hände, Fäuste, Gerüche, Geräusche. Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach darauf zu reagieren. Und so brachte ich zwei schwankende Gegner zu Fall, indem ich ihnen die Beine wegriss. Ich schlug ein paar Zähne aus. Ich schrammte mir die Knöchel auf, als meine Faust auf das Kinn von einem dieser Typen traf, und ich brach mindestens einem Halbvamp das Genick. Ich handelte aus Reflex – allerdings nur vom Kopf her und nicht aus dem Körper heraus. Meine Muskeln waren vollkommen untrainiert, so dass ich einigermaßen unsicher herumtaumelte.
In solchen Momenten vermisste ich meinen alten Körper.
Phin hatte ich aus den Augen verloren und konnte es mir auch nicht leisten, nach ihm Ausschau zu halten. Etwas Schweres traf mich im Kreuz. Benommen von dem Schlag fiel ich auf die Knie. In der Nähe sah ich Metall aufblitzen. Geistesgegenwärtig griff ich nach dem einen Ende einer Langhantel, an der keine Gewichte befestigt waren, und schwang sie in weitem Bogen durch die Luft. Jedes Mal, wenn ich damit einen Gegner traf, vibrierte der Stahl in meiner Hand, Gegner heulten auf, Knochen brachen. Adrenalin rauschte durch meine Adern und hinterließ einen bitteren Geschmack in meinem Mund. Die Wut feuerte mich nur noch mehr an.
Während ich die Hantel fest gegen die Brust drückte, rollte ich mich erneut herum, dann ein zweites Mal, um schließlich auf den Knien zu landen. Kurz schwankte ich, dann hielt ich die Stange sicher wie einen Baseballschläger, zum Ausholen bereit. Vor mir stand Tattoo, der aus einer Wunde über dem Auge blutete und knurrte wie ein Hund beim Bullenbeißen.
»Komm und hol mich, du Wichser!«, fauchte ich.
Tattoo lachte und zog eine Braue hoch.
Scheiße. Bevor ich den Schlag spürte, schwirrte mir bereits der Kopf. Die Hantel fiel mir aus der Hand, mir sackten die Arme weg, und ich landete mit dem Gesicht voran auf der Matte. Meine Lungen erstarrten und wollten sich nicht mehr mit Luft füllen. Vor meinen Augen begann alles zu verschwimmen. Nein, nein, nein. Reiß dich zusammen, Evy.
Da hallte ein Kampfschrei durch den Raum, wie ich ihn noch nie gehört hatte. Hoch und schrill wie der Schrei eines wütenden Vogels. Der herausfordernde und zornige Laut erfüllte jeden Winkel in der heruntergekommenen Halle.
Ich nahm eine Bewegung in der Luft wahr. Hörte das klatschende Geräusch, als nackte Haut auf Matten und Wände schlug. Männer stöhnten und brüllten. Jemand packte mich an meinem aufgesteckten Haar und zerrte mich hoch. Und während mein Oberkörper zurück und nach oben gerissen wurde, strömte Sauerstoff in meine Lungen. Im Rücken spürte ich eine verschwitzte Brust. Ich wurde von hinten umklammert,
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