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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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so dass meine Hände an meinen Körper gefesselt waren. Ein zweiter Arm schlang sich um meinen Hals, und an dem kratzigen Bart erkannte ich, dass es Tattoo war.
    Völlig verblüfft von dem Anblick, der sich mir bot, wehrte ich mich zuerst gar nicht. Phineas hatte seine gesprenkelten Schwingen voll ausgebreitet und stürzte sich auf zwei Halbvamps. Das schwarze Polohemd hing ihm in Fetzen von den Schultern. Sobald er den Boden berührte, wirbelte er herum und setzte die Flügel ein, um die beiden Gegner drei Meter weit durch den Raum zu schleudern. Der eine krachte gegen die Wand, der andere gegen die Ecke des Boxrings. Keiner der beiden stand auf. Überhaupt erhob sich niemand wieder.
    Die Flügel angewinkelt und hochgereckt, drehte Phin sich zu mir und Tattoo um. Wie ein Raubvogel, der seine Beute ins Visier nahm, stand er regungslos da und sah herüber. Ich beobachtete ihn, wie er langsam ein- und ausatmete, und wartete auf ein Zeichen. Auf irgendeinen Hinweis, wie ich mich verhalten sollte.
    »Was zum Teufel bist du?«, fragte Tattoo, und seine Angst war deutlich zu hören – welch lieblicher Klang!
    »Jemand, den du besser nicht verärgern hättest«, antwortete Phin mit näselnder, beinahe unmenschlicher Stimme.
    Tattoo begann so heftig zu schnaufen, dass sogar ich mich mitbewegte. Allerdings wurde mir dadurch das Atmen erschwert, dass er mich so fest umschlungen hielt. Ich funkelte Phin in der Hoffnung an, er würde meine stumme Botschaft verstehen. Mach schon, bevor er mich zerquetscht.
    »Einen Schritt näher und ich beiße sie«, warnte Tattoo, und ich spürte seinen heißen Atem an meinem Ohr. Der zudem nach vergammeltem Fisch stank.
    Phins Nasenflügel bebten. »Du bist tot, bevor du auch nur einen Tropfen Blut schmeckst.«
    »Wenn mich ein Halbvamp beißt«, warf ich röchelnd ein, »bin ich dann ein Viertelvamp?«
    »Hä?«, grunzte Tattoo und löste seine Umklammerung ein wenig.
    Phin blinzelte und ließ den Kopf nach links rucken. Gleichzeitig trat ich mit aller Macht gegen Tattoos linkes Schienbein. Ich hörte ein Knacken, und er schrie auf. Sein Griff lockerte sich noch mehr. Ich zog die Beine in der Luft an, hängte mich mit meinem ganzen Gewicht an ihn, und sogleich plumpste ich wie ein Sack auf die Matte. Während Phin gleich einem Pfeil mit schwarzen und hellbraunen langen Federn über mich hinwegschoss, rollte ich mich zur Seite ab.
    Zwei Körper prallten aufeinander, und Tattoo kreischte. Ich rappelte mich auf, hockte mich hin, füllte meine hungrige Lunge. Für einen Moment verschwamm wieder alles vor meinen Augen, und ich drohte umzukippen. Ein weiterer Schrei ertönte.
    »Lass ihn am Leben«, sagte ich.
    Allmählich klarte sich meine Sicht auf. Phin nagelte Tattoo gegen die Wand, indem er seine Kehle wie mit einer Zange umklammert hielt. Tattoos massiger Körper baumelte gute zwanzig Zentimeter über dem Boden. Seine Füße hingen herab, die Augen traten ihm hervor, und sein kahler Schädel ähnelte mehr und mehr einer Tomate. Woher zum Henker nahm Phin die Kraft, ihn mit einer Hand so zu halten? Das überstieg mein Fassungsvermögen. Ich konnte kaum glauben, was ich sah.
    »Wir wollen Antworten«, erklärte ich. Indem ich mich auf einer Bank aufstützte, kämpfte ich mich auf die Füße. Diesmal drehte die Welt sich nicht. Allerdings klebte der Gestank von Tattoos Schweiß überall an mir. Widerlich.
    »Frag ihn«, meinte Phin. »Er wird dir antworten.«
    »Nicht, wenn du ihm das Genick brichst. Ich habe eine bessere Idee.«
    Phin ließ ihn los.
    Keuchend und würgend brach Tattoo auf der Matte zusammen. Für einen Augenblick hätte ich geschworen, dass er tatsächlich schluchzte.

    In der hinteren Ecke des Umkleideraums entdeckte ich eine Metallleiter, die durch eine Luke direkt aufs Dach führte. Gleich neben dem Ausstieg, der durch ein Vorhängeschloss gesichert war, hing an einem Nagel an der Wand der Schlüssel. Wie dämlich konnte man sein? Nachdem wir Tattoo mit einer halben Rolle Klebeband gefesselt hatten, schleppte Phin ihn wie ein durchtrainierter Feuerwehrmann aufs Dach. Die Überreste vom Polohemd hatte er entfernt, so dass er erneut seinen athletischen, wohlgeformten Oberkörper präsentierte.
    Vielleicht arbeitete er tagsüber im Geheimen als Fitnesstrainer.
    Sobald Tattoo der erste Sonnenstrahl traf und ihm die Haut versengte, quiekte und winselte er, so gut das mit zugeklebtem Mund eben ging. Phin warf ihn auf den weichen Teerbelag und breitete seine beeindruckenden

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