Die Rache der Jagerin
nicht am späten Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein auf dem Gehweg gestanden hätte. Genau wie Isleen vor zwei Tagen hielt sich diese Vampirfrau ungeschützt in der Sonne auf. Eine weitere Sache, die ich noch untersuchen musste.
Der junge Mann neben ihr war kein Blutsauger, was noch lange nicht bedeutete, dass er ein Mensch war. Wie ein übereifriges Kind trat er von einem Fuß auf den anderen und wartete darauf, ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen. Trotz der Hitze trug er ein Hemd mit langen Ärmeln, die eventuelle Bissnarben verdeckten. Nur Menschen konnten sich durch den Biss eines Blutsaugers anstecken, alle anderen Spezies dagegen lieferten Vampirnahrung ohne Risiko – sofern es den Blutsaugern gelang, sie einzufangen. Natürlich war es auch möglich, dass die Vampirin sich mit Hilfe einer Spritze ernährte.
Als wir uns näherten, geriet ihre Unterhaltung ins Stocken, und da wir keine Anstalten machten, an ihnen vorbeizugehen, kam sie vollends zum Erliegen. Der Mann mit dem schwarzen Hut warf uns einen kalten Blick zu, doch seine Augen waren im Schatten der Hutkrempe nicht zu erkennen. Der Typ gab keinerlei Lebenszeichen von sich. Bei ihm handelte es sich weder um einen Blutsauger noch um einen Halbvamp. Auf keinen Fall konnte er ein Kobold oder Gargoyle sein. Bestimmt war er Therianer.
»Ich habe euch in den Apfel gehen sehen«, sagte Schwarzhut. Sein Blick wanderte von Phin zu mir und verharrte auf meinem Gesicht. Ich ließ die Augenlider flattern, fuhr mir mit der Zunge über die Oberlippe und schmiegte mich enger an Phin. Dabei hoffte ich, dass ich den Eindruck vermittelte, für einen gewissen Preis zu haben zu sein.
»Ich habe gehört, was du zu Belle gesagt hast«, entgegnete Phin. »Das hat mich fasziniert.«
»Was genau hat dich fasziniert?«
»Weißt du, wer ich bin?«
»Das weiß ich«, meldete sich die bleiche Frau zu Wort. Der Klang ihrer Stimme zusammen mit ihrer hochnäsigen Kopfhaltung schalteten meine letzten Zweifel daran aus, dass sie eine Vampirin war. Zudem schaute unter ihrer Mütze eine weiße Haarlocke hervor. »Umso erstaunlicher, dass du dich mit einer Menschenfrau abgibst.«
Aus den Kehlen der beiden Teenager drang ein tiefes Knurren. Sie zogen die Schultern zurück und senkten die Köpfe. Das war ihre Angriffshaltung. Ich musste all meine antrainierte Selbstbeherrschung aufbringen, um locker zu bleiben und mir angesichts ihrer Drohgebärde ein lautes Lachen abzuringen.
»Meine kleine Chalice hat das Glück«, meinte Phin, »dass wir uns bereits einige Wochen vor dem Massaker der Menschen an meinem Volk begegnet sind.« Er zwinkerte Schwarzhut zu. »Und vor allem hat sie eine sehr geschickte Zunge.«
Merke: Dafür muss er später büßen.
»Ohne Zweifel«, sagte die Blutsaugerin.
Ich schaute sie unter gesenkten Lidern hervor an und bemühte mich um ein möglichst lüsternes Lächeln. »Willst du eine Kostprobe?«
Sie fletschte die Zähne, und ich kicherte. Mein Gott, war das peinlich.
»Du riechst nach Blut«, wandte sie sich an Phin.
Scheiße. Er hatte seit der Sache im Trainingsraum seine Hosen nicht gewechselt. Gemächlich lächelte er sie an und erwiderte: »Heute Morgen ist sie ein bisschen ausgelassen gewesen. Meine Chal hat zwar keine Fangzähne, aber die, die sie hat, weiß sie gut zu nutzen.«
Holla, das war nun doch etwas eklig.
»Mein Beileid für den Verlust deines Clans«, bemerkte Schwarzhut. »Dennoch geht das Gerücht, dass du dich in den letzten Tagen des Öfteren mit Menschen abgegeben hast. Vor allem mit den Triaden. Deshalb frage ich dich …«
»Weshalb du mir Vertrauen schenken solltest?«
Daraufhin nickte Schwarzhut.
»Weil ich weiß, dass man den Triaden Hinweise über das Treffen in Park Place gesteckt hat.«
Leider stand ich fünf weiteren Gegnern unterschiedlicher Herkunft gegenüber, mit denen ich es vermutlich allein nicht aufnehmen konnte. Sonst hätte ich ihm am liebsten das Genick gebrochen. Er hatte eben unser einziges Ass verspielt. Dieser gehirnamputierte Scheißkerl.
Schwarzhut grinste. »Und woher willst du das wissen?«
Ich drehte den Kopf und warf Phin einen verschlagenen Blick zu, um allen deutlich zu machen, dass ich sein kleines Geheimnis kannte. Gleichzeitig musste ich für mich behalten, wie gern ich ihn zu Brei geschlagen hätte. Wie sehr ihn mein notgedrungenes Schweigen freuen musste!
»Heute Morgen haben zwei Jäger Mikes Fitnessklub hochgenommen«, antwortete Phin. »Haben ein Dutzend Halbvamps
Weitere Kostenlose Bücher