Die Rache der Kinder
Jack.
Es gab hier keinen Anrufbeantworter, und so hörte das Klingeln nach einiger Zeit auf. Vielleicht war es ja Rob, der sie zu erreichen versuchte; vielleicht funktionierte ihr Handy nicht, und vielleicht wollte er wirklich …
»Aufpassen, Turner!«, sagte Roger scharf.
Kates Augen schleuderten Dolche in die vom Nylonstrumpf verschleierten Augen der Frau.
»Wir möchten das so angenehm und einfach wie möglich für dich machen«, fuhr Roger fort, »denn wir ziehen es vor, wenn unsere Spiele schnell verlaufen.«
Geschwindigkeit, dachte Kate, konnte nichts Gutes bedeuten.
»Bereit?« Jack schaute von einer Gefangenen zur anderen. »Gut.«
Nicht bereit , wollte Kate sagen und sah erneut wilde Furcht im Gesicht der anderen Frau.
»Normalerweise«, sagte Roger, »geht es bei dem Spiel um …«
»Wir suchen uns ein Monster aus und bestrafen es«, sagte Jack.
»Diesmal haben wir zwei Monster«, ergänzte Piggy.
»Eine Premiere«, sagte Simon.
»Deshalb haben wir eine Weile gebraucht«, erklärte Roger, »um zu entscheiden, wie wir mit euch verfahren sollen.«
»Zu guter Letzt war es dann aber ziemlich einfach«, meinte Piggy.
»Ihr werdet euch gegenseitig bestrafen«, sagte Jack.
Das Schweigen im Raum schien mehrere Minuten anzudauern, bis Kate schließlich sagte:
»Nein.« Ihre Stimme war klar und fest. »Das werden wir nicht.«
»Halt’s Maul!«, befahl Jack.
»Was meint ihr mit bestrafen?«, fragte Laurie.
Sie hatte sich schon gefragt, ob sie je wieder die Kraft und den Mut aufbringen würde, etwas zu sagen. Vielleicht lag es ja daran, dass das Betäubungsmittel allmählich abklang, oder ihr war einfach nur klar geworden, dass sie jetzt kämpfen musste, wollte sie Sam je wiedersehen. In jedem Fall hatte Laurie ihre Stimme wiedergefunden.
Dieser Gedanke trieb ihr die Tränen in die Augen, doch sie würde dem nicht nachgeben, denn die andere Frau weinte auch nicht. Und was immer diese Bestien über sie sagten – nun hatte sie den Mut gefunden, sich ihnen entgegenzustellen.
»Wer seid ihr überhaupt?« Das nicht zu wissen, war beinahe das Schlimmste für sie. »Und woher wisst ihr so viel über mich?«
Die andere Gefangene lächelte sie an, und das gab ihr Kraft.
Sie saßen also doch im selben Boot.
»Ich bin Jack«, beantwortete er ihre Frage. »Mehr brauchst du über mich nicht zu erfahren.«
»Ich bin Roger«, sagte die Frau zu ihrer Rechten.
»Und ich bin Piggy.« Der zweite maskierte Mann sagte es in einem Tonfall, als würde er sich ihr bei einer Party vorstellen.
»Simon.« Das war die andere Frau.
Kate beobachtete Laurie und sah, dass sie nichts mit den Namen anfangen konnte.
»Das sind nicht ihre richtigen Namen«, sagte sie rasch. »Sie stammen aus einem Buch. Und ich bin Kate.«
»Laurie.« Auch das war rasch gesagt. »Laurie Moon.«
Jack trat drei Schritte auf Kate zu und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Kein Wort mehr, solange man dich nicht fragt.« Er drehte sich zu Laurie um. »Für dich gilt das Gleiche, es sei denn, du willst dir auch eine fangen.«
»Vorsicht«, sagte Roger zu Jack.
Kate brannte die Wange. Sie erinnerte sich daran, dass Simon etwas Ähnliches gesagt hatte, als sie zum ersten Mal von Jack geschlagen worden war. Vielleicht wollten sie ja nicht, dass sie irgendwelche Blessuren davontrug … Andererseits hatte Simon sie auch geschlagen, und da hatte niemand etwas gesagt, und Jack wirkte ob des Tadels sogar zufrieden.
Laurie starrte auf Kates feuerrote linke Wange und fragte sich plötzlich, wie viel Uhr es wohl war und ob jemand im Rudolf Mann House ihre Eltern angerufen hatte, wenn …
»Mein Wagen«, sagte sie.
»Den haben wir gut verstaut«, sagte Jack, »genau wie dich.«
Kate sah, wie Laurie wieder die Tränen in die Augen traten.
»Schon gut«, sagte sie. »Alles wird wieder okay.«
»Das hängt davon ab, was du mit okay meinst«, spottete Jack.
»Ich verstehe das einfach nicht.« So verängstigt sie auch war – Laurie musste es einfach wissen. »Ihr habt gesagt, ich hätte Sam in ein Heim gesteckt … obwohl ich das nicht musste. Aber so war es nicht.«
»Warst du zu krank, dich um den Jungen zu kümmern?«, fragte Simon mit scharfer Stimme.
»Warst du im Gefängnis?« Auch Piggys Stimme klang hart.
»Warst du gefesselt und geknebelt?«, wollte Roger wissen.
»Natürlich nicht!«, protestierte Laurie. »Aber …«
Jack holte das Klebeband wieder aus der Tasche, riss ein Stück ab und pappte es Laurie so fest auf den
Weitere Kostenlose Bücher