Die Rache der Kinder
aber wusste er es, wo immer er jetzt war, denn sie hatte es ihm mehr als tausendmal zugeflüstert.
Es verwirrte Kate, dass sie kurz davorstand, es auch dieser Frau zu sagen, dieser Fremden, denn bis jetzt hatte sie es noch nicht einmal ihren Eltern anvertraut. Vielleicht lag es daran, dass Marie Coates Robs Freundin gewesen war. Vielleicht lag es daran, dass Marie ihn als Letzte lebend gesehen hatte.
»Ich bin schwanger«, sagte Kate.
84. Kate
Es waren nun schon gut fünfzehn Wochen.
Vor Robs Tod hatte Kate nicht einmal den kleinsten Verdacht gehegt, dass sie schwanger sein könnte. Seit Caisléan hatte sie ohnehin nur unregelmäßig ihre Tage bekommen. Sie hatte angenommen, dass ihr Körper vom Schock noch verwirrt war – und dann war da auch noch der Stress gewesen, sich unmittelbar danach ein neues Leben mit Rob aufzubauen.
Dass sie schon seit einiger Zeit nicht mehr an PMS gelitten hatte, hätte jedoch die Alarmglocken läuten lassen müssen. Andererseits war es so ähnlich, als wäre plötzlich ein chronischer Schmerz verschwunden: War man erst davon befreit, suchte man nicht mehr danach. Man musste es ja nicht beschwören.
Kate bedauerte zutiefst, dass Rob nicht mehr von der Schwangerschaft erfahren hatte.
»Ich will keine Untersuchungen«, sagte sie zu ihrem Gynäkologen und zur Hebamme, »besonders keine Amniozentese. Falls Sie dazu verpflichtet sind, will ich die Ergebnisse nicht hören.«
Was das betraf, war sie knallhart. Sie würde alles tun, um das Baby zu beschützen, aber sie würde nicht nach Problemen suchen , denn nichts und niemand könnte sie zu einer Abtreibung überreden, unter gar keinen Umständen. Außerdem sollte das Wachstum ihres Kindes nicht durch negative Gedanken beeinträchtigt werden.
Allerdings hatte das alles nichts mit dem zu tun, wofür dieCaisléan-Bande eingetreten war. Kate spie auf diese Art Fanatismus, egal, wie ein Verteidiger dies im bevorstehenden Prozess auch hinstellen mochte.
Das hier war das Einzige, was sie für Rob noch tun konnte.
Ihr Baby war für Mitte März ausgerechnet.
Ihr Baby .
85. Kate
Die gerichtliche Untersuchung zur Feststellung der Todesursache, die kurz nach Robs Tod begonnen hatte und dann für weitere Berichte vertagt worden war, schien Kate härter zu treffen als die Beerdigung.
Ihre Trauer derart abzuschotten war ein unbewusster Akt gewesen – ursprünglich, um sich selbst zu schützen, und weil sie seit Caisléan wusste, dass es durchaus möglich war, Schrecken auszublenden. Später hatte sie den gleichen Mechanismus dann noch einmal angewandt, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte.
»Es ist besser, es rauszulassen.«
Kate wusste schon gar nicht mehr, wie viele Leute ihr das gesagt hatten.
Sie selbst glaubte nicht daran.
Als der Fall schließlich vor Gericht kam, war die emotionale Schutzmauer, die sie nach dem ersten Schock errichtet hatte,längst verschwunden. Als Marie Coates und einer der herbeigerufenen Sanitäter von dem Unfall berichteten, hatte Kate das Gefühl, zum ersten Mal die schreckliche Schilderung seines Todes zu hören.
»Es ist ja bald vorbei«, versuchte Michael, der neben ihr saß, sie zu trösten.
Nur wenn sie es wieder aussperrte, wenn sie es verdrängte und tief in sich vergrub.
Wie erwartet, fiel das Urteil eindeutig aus.
Es war ein Unfall. Niemand trug irgendeine Schuld.
Kates Gefühle jedoch waren weit komplizierter, nicht zuletzt ihre Gefühle Marie Coates gegenüber, für deren Freundschaft sie dankbar war – ungeachtet der Rolle, die die ältere Frau bei Robs Unfall gespielt hatte. So gesellig Kate auch sein konnte – sie war nie ein Mensch gewesen, der enge Freundschaften schloss. Sie hatte mehr Bekannte als Freunde.
»Unterschätze nie den Wert einer guten Freundin«, hatte Bel einmal zu ihr gesagt.
Das war wieder so ein Beispiel für mütterliche Weisheit, dachte Kate nun.
Und jetzt, in der zwanzigsten Woche ihrer Schwangerschaft, war sie plötzlich auch ihr einfach nur dankbar.
86. Kate
Zuerst rief Martin Blake an – um neun Uhr dreißig in der Früh, eine Woche nach der Untersuchung –, um Kate mitzuteilen, dass der Prozess für den 11. Februar angesetzt war. Gleichzeitig wollte er sie wissen lassen, dass sie sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Gedanken machen musste.
Fünf Minuten später rief Bel an, um Kate zu fragen, ob sie schon die schlechten Neuigkeiten von Marie gehört hatte.
»Es hat ein schreckliches Feuer gegeben«, berichtete sie. »Maries
Weitere Kostenlose Bücher