Die Rache der Liebe
feinem blauen Linnen zu erkennen sowie an dem juwelenverzierten Gürtel und den Seidenbändern, die um ihre beiden langen Flechten geschlungen waren. Außer ihrem Speisedolch trug sie keine Waffen. Sie wirkte vollkommen entspannt.
Kristens Verblüffung über Erikas jugendliches Alter drückte sich in ihrer ersten Frage aus: »Bist du hier die einzige Obrigkeit?«
»Wenn mein Bruder abwesend ist, aye«, erwiderte Erika und fügte mit Blick auf die bereitstehende Truppe hinzu: »Du kommst zur Schlacht gerüstet.«
In ihren Worten schwang ein leiser Vorwurf, doch ihre Beobachtung war richtig. Selbst Kristen wirkte kampfbereit. Sie hatte ihr langärmeliges Unterkleid mit dem schmalen Rock abgelegt, um bequemer reiten zu können, aber auch wegen des warmen Klimas dieser südlichen Region, an das sie sich wahrscheinlich nie gewöhnen konnte. So war sie nur mit ihrem ärmellosen, etwas kürzeren Übergewand bekleidet, das ihr bis zu den Knöcheln reichte und zu beiden Seiten geschlitzt war. Darunter trug sie eng über Kreuz verschnürte Hosen, die sie sich von einem ihrer Männer, der ähnlich groß war, ausgeliehen hatte, und ihre eigenen Fellstiefel.
Da sie ihr langes goldenes Haar im Rücken zu einem Zopf geflochten hatte, konnte sie aus der Ferne leicht für einen Mann gehalten werden, vor allem mit dem Schwert das in Greifweite an ihrem Sattel befestigt war, und dem Dolch an ihrer Hüfte.
Dieser Dolch war ein Geschenk ihres Vaters und ihr kostbarster Besitz. Mit seiner langen Klinge war er auch keineswegs ein Speisedolch, wie ihn Erika trug, sondern eine hervorragende Waffe. Der Griff war aus Elfenbein und endete in einem furchterregenden Drachenkopf, und in die Klinge waren Runen eingraviert, die Odins Segen herbei beschworen . Garrick hatte ihn ihr geschenkt, nachdem er von Royce die Geschichte gehört hatte, wie sie mit dem Schwert auf seinen Cousin Alden losgegangen war, als dessen Klinge Selig getroffen hatte.
Kristen und ihre Mutter waren während der Erzählung tief in ihre Stühle gesunken, da sie einen Wutausbruch Garricks befürchtet hatten. Denn Garrick hatte Kristen nie gestattet, den Umgang mit Waffen zu erlernen, und wußte nicht, dass Brenna es ihr heimlich beigebracht hatte. Er war immer der Ansicht gewesen, dass es allein sein Recht sei, seine einzige Tochter zu beschützen. Doch Brenna fand, dass es vor allem Kristens Recht sei und ihr Vater ihr ja trotzdem beistehen könne. Aber Garrick war nicht wütend geworden. Stattdessen hatte er Kristen seinen eigenen Dolch überreicht und sie mit so viel wohlwollendem Stolz betrachtet, dass die Waffe für sie noch wertvoller geworden war.
»Ich komme wegen meines Bruders, wie hoch der Preis auch immer sein mag«, sagte Kristen nun mit unmissverständlicher Warnung in der Stimme. »Du hältst ihn als Gefangenen. Ich will ihn jetzt zurückhaben. «
»Du bist schnell gekommen - falls du, wie er behauptet, aus Wessex stammen solltest.«
Der skeptische Ton in ihrer Stimme brachte Kristen zur Weißglut. »Es war töricht von dir, ihm nicht zu glauben. Mein Bruder ist kein Spion. Er war zu deinem König unterwegs, um ihm Vorschläge zu unterbreiten, die sicher sein Gefallen gefunden hätten.«
»Das hat auch er behauptet, aber es gab genügend Gründe, die daran zweifeln ließen. Wie auch immer, du kannst ihn wiederhaben.«
»Ohne Dänengeld?« stieß Kristen verächtlich hervor.
Erika zuckte die Achseln. »Du hast seine Angaben bestätigt, und so werde ich kein Lösegeld fordern. « Sie wandte sich zu einem ihrer Männer um. »Wulnoth, hol ... «
»Ich werde ihn holen«, fiel ihr der Riese ins Wort.
Erika war über Turgeis' Angebot überrascht und auch eine Spur ungehalten darüber, dass er sie mit dieser wilden Horde vor ihren Toren allein lassen wollte. Andererseits war die Truppe ziemlich weit entfernt, und Erika hatte ihre vier Männer hinter sich. Lediglich die Schwester des Kelten und die beiden Norweger befanden sich in ihrer unmittelbaren Nähe - die Schwester des Ke l ten? Nein, er konnte kein Kelte sein, zumindest kein reinrassiger, wenn diese Frau mit eindeutig norwegischer Abstammung tatsächlich seine Schwester war. Vielleicht war er jedoch gar nicht mit der Frau verwandt. Vielleicht war er ein so raffinierter Lügner, dass er die Schwester irgendeines anderen Mannes hierhergelockt hatte, damit sie ihren vermeintlichen Bruder abholte.
Um dieser arglistigen Täuschung zuvorzukommen, schlug Erika vor: »Ich muss mich noch davon überzeugen,
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