Die Rache der Liebe
hörte, wie Erika nach Luft schnappte, und zischte ihr ins Ohr: »Er lügt gut, weil er dich schützen will. Oder willst du dich gleichfalls für unschuldig erklären? Obwohl mein Bruder mit einer schweren Verletzung zu dir gekommen ist, wahrscheinlich Hilfe gesucht hat, und du ihn statt dessen eingesperrt hast?«
So gesehen war Erika schuldig, gleichgültig, wie die Umstände auch gewesen sein mochten. Wulnoths Lüge in Bezug auf die Verletzung entließ sie nicht aus ihrer eigenen Verantwortung und war somit kein Argument, das sie der Schwester entgegensetzen konnte. Doch keine Antwort war genau die Antwort, die Kristen benötigte.
Erneut zischte es in Erikas Ohr: »Sag deinen Leuten, sie sollen dir nicht nachreiten, oder aber dein Schicksal wird von mir besiegelt werden und nicht von meinem Bruder falls er je wieder genesen sollte. Und ich verspreche dir eines, Lady: Wenn er stirbt, stirbst auch du. «
Erika schloss für einen Moment die Augen. Sie zweifelte zwar nicht an Kristens Worten, glaubte aber auch nicht, dass der Mann sterben würde; sie muss te einfach daran glauben, dass sich alles aufklären und sie wieder freigelassen würde. Aber irgendetwas stimmte an der Sache nicht. Sie hätte Turgeis gern gefragt, wie schwer der Mann ausgepeitscht worden war, aber sie wagte es nicht, denn da die Schwester fürchtete, er könne sterben, muss te er tatsächlich schwer miss handelt worden sein.
Log Turgeis, um sie zu schützen? Er muss te lügen, denn sie konnte nicht glauben, dass die Kopfverletzung, ob sie nun existierte oder nicht, den Mann derart niedergestreckt hatte. Bei dem Verhör vor vier Nächten hatte er auf sie bloß einen erschöpften Eindruck gemacht. Sie wünschte, Turgeis hätte ihr den Zustand des Mannes nicht verschwiegen. Es wäre besser gewesen, sie hätte darüber Bescheid gewusst , ganz gleichgültig, wie schrecklich sie sich deswegen gefühlt hätte. Zumindest hätte sie sich dann um die Verletzung des Mannes kümmern und ihm eine Entschädigung anbieten können. Turgeis hatte sie schonen wollen, aber jetzt, mit einem Dolch an ihrer Kehle, blieb ihr nichts weiter übrig, als sich den Umständen zu beugen.
Mit lauter Stimme, um jeden Irrtum zu vermeiden, befahl Erika ihren Männern: »Ich werde mit den Leuten gehen. Wartet auf die Rückkehr meines Bruders und teilt ihm mit, was geschehen ist.« Darauf sagte sie leise zu Kristen, da sie es als ihre Pflicht ansah, sie zu warnen: »Das könnte zu einem Krieg führen.«
»Falls es dazu kommen wird, wirst du das sowieso nicht miterleben. Doch du bist etwas zu selbstherrlich, Dänin. Wenn dein König von der Greueltat, die du begangen hast, erfährt, wird er darauf brennen, eine Entschädigung zu leisten, und du wirst das Geringste sein, was er uns überlassen wird.«
Während dieser Worte hatte Kristen weiterhin Turgeis im Visier behalten. Aber ob er sie nun gehört hatte oder nicht, sie vertraute jedenfalls nicht darauf, dass er dem Befehl seiner Lady nachkommen würde. Die anderen würden es tun, aber er nicht.
Also warnte ihn Kristen un miss verständlich: »Verfolgst du sie, setzt du ihr Leben aufs Spiel. Für jede Sekunde, die ich dich sehe, wird sie zehn Peitschenhiebe erhalten - wenn ich sie nicht auf der Stelle umbringe. «
»Dann wirst du mich gewiss nicht sehen, Lady . «
Für diese Antwort bedachte ihn Kristen mit einem zornigen Blick, denn sie wussten beide, was sich hinter diesen Worten verbarg. Er war Norweger wie sie und als solcher zu unbedingter Loyalität bereit. Sie würde ihn nicht sehen, aber er würde in der Nähe sein, und egal, was sie jetzt noch sagte, es ließe sich nicht verhindern. Auch gut.
Kristen betrachtete ihr Pferd und verwarf sogleich die Idee, zusammen mit Erika zu reiten. Bis sie Erika richtig auf den Sattel bekäme, würde sie selbst eine zu gute Zielscheibe abgeben. Den Dolch weiterhin am Hals der Dänin, schob sie die Frau zum Ende des Wagens und schlug die schwere Plane beiseite in der Absicht, Erika in den Wagen zu stoßen. Ivarr war herbeigeritten, um ihr zusätzliche Deckung zu geben. Doch Selig hatte fast alles, was vorgefallen war, gehört, und hob nun mühsam den Kopf, damit er seine Schwester und deren Geisel sehen konnte.
Sein heiseres Wispern drang zu Kristen und ließ sie in ihrem Tun sofort innehalten. »Halt sie von mir fern, Kristen, bis ich mich selbst verteidigen kann.«
Erika erbleichte bei diesen Worten. Von der Frau, die sie festhielt, ging so viel blanke Wut aus, dass Erika
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