Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
sie zur Plünderung frei, brennt alles nieder. Es soll kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Ihr macht keine Gefangenen. Es gibt dort eine junge Frau …«
»Wie erkenne ich sie?«
»Sie hat verschiedenfarbige Augen.«
Baldur von Veldern schloss seine Augen. »Ich wusste es«, sagte er schicksalsergeben. »Ich wusste es. Ich kenne sie.«
Der Erzbischof war überrascht. »Ihr kennt Anna von Hochstaden?«
»Ja.«
»Woher?«
»Sie hat mich nach meiner Gefangennahme verbunden. Man nennt sie die Medica.«
Der Erzbischof warf Pater Severin einen fragenden Blick zu. Zum ersten Mal war dieser auf dem falschen Fuß erwischt worden und konnte nur mit der Schulter zucken, weil ihm davon nichts bekannt war. Es wurmte ihn ungeheuer, das war ihm anzusehen.
Konrad von Hochstaden wandte sich wieder dem Delinquenten zu. »Umso besser, dann wisst Ihr, von wem wir reden. Mit der Medica könnt Ihr anstellen, was Euch beliebt. Sie darf es nur nicht überleben. Danach ist Euer Auftrag beendet. Ihr holt Eure Belohnung ab, entlasst Eure Männer und verschwindet. Mit den 200 Augustalen und Eurer sonstigen Beute könnt Ihr irgendwo weit weg, wo Euch niemand kennt, ein Rittergut kaufen und Euch zur Ruhe setzen.«
»Hört sich vielversprechend an. Wo ist der Haken?«
»Ihr seid wohl immer auf der Hut?«
»Ich habe daraus gelernt, als ich es einmal nicht war und mich die Männer des Vogtes erwischten.«
»Dann frage ich Euch: Habt Ihr eine Wahl?«
Baldur von Veldern hatte ein Einsehen und fragte: »Wann kann ich mit dieser Nachricht rechnen?«
»Voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres. Habt Ihr einen Rückzugsort für den Winter?«
Der Ritter nickte.
»Gut. Nehmt Ihr den Auftrag an?«
Sie sahen sich in die Augen, es war wie ein kurzes Kräftemessen, bis Ritter Baldur nickte. »Ja.«
Konrad von Hochstaden wandte sich schon zum Gehen, blieb aber noch einmal stehen. »Ach, da wäre noch etwas. Diese Unterredung hat nie stattgefunden.«
»Und die Belohnung? Wenn das mit den 200 Augustalen eine Falle ist? Woher weiß ich, dass ich das Geld auch wirklich bekomme?«
Jetzt lächelte der Erzbischof. »Gar nicht. In diesem Punkt müsst Ihr eben meinem Wort blind vertrauen. So wie ich dem Euren.«
»Macht Ihr Euch lustig über mich?«
»Nein«, sagte der Erzbischof. »Sehe ich aus, als wäre ich zu Scherzen aufgelegt?«
Damit drehte er sich um und wollte gehen.
Aber Baldur von Veldern richtete sich auf, soweit ihm das in seiner misslichen Lage möglich war, und rief: »Bischof!«
Der Erzbischof blieb stehen. Pater Severin sagte zu ihm: »Soll ich dem Strauchdieb Manieren beibringen?« Konrad von Hochstaden hielt ihn mit einer beiläufigen Geste davon ab.
»Ja«, sagte er vernehmlich, »was noch, Ritter Baldur?«
»Am Ende werden wir alle gerichtet, selbst Ihr, Eminenz!«
Konrad von Hochstaden antwortete mit einem kalten Lächeln. »Nun, ich sehe, Ihr seid doch ein Mann des Glaubens.«
Dann verließ er die Folterkammer. Pater Severin folgte ihm.
Das dröhnende Lachen des Ritters hallte hinter ihnen her durch die Gewölbe.
Am Ausgang zur Treppe warteten die zwei Folterknechte und standen vom Tisch auf, an dem sie gewürfelt hatten, als der Erzbischof und Pater Severin herankamen. »Sorgt dafür, dass Baldur von Veldern zur Strafe und Abschreckung mit dem Eisen gebrandmarkt wird. Und zwar auf diese Weise …«, befahl ihnen der Erzbischof und zeichnete mit dem Finger ein Kreuz auf die Stirn von Pater Severin. »Aber wartet damit, bis wir seine Schreie nicht mehr hören können.«
Damit ging er die Treppe hoch. Pater Severin war ihm schon vorausgeeilt und hielt ihm geflissentlich die schwere Eichentür auf.
IX
D as also war ihre neue Heimat.
Sie dankte Gott, dass nun alles gut war.
Anna sah vom Gipfel der Bergkuppe bis zum fernen östlichen Horizont, wo die Sonne rötlich über dem Morgendunst aufging und die Nebelschwaden zartrosa einfärbte. Sie schlang die wärmende Decke enger um ihre Schultern und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um das Glücksgefühl, das sie durchströmte, ganz tief zu spüren, so als könnte sie es für immer und ewig festhalten. Sie wusste nur zu gut, dass das nicht möglich war, deshalb wollte sie diesen kostbaren Augenblick mit allen Sinnen genießen. Glück war so scheu und flüchtig wie das Reh, dem sie bei ihrem kleinen Spaziergang am Rand des Buchenwalds bei Anbruch der Dämmerung plötzlich Auge in Auge gegenübergestanden hatte.
Es war aus dem Unterholz gekommen
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