Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Krankheit des Königs.«
»Das wird gleichzeitig als Eingeständnis gewertet werden, dass der König nicht handlungsfähig ist«, wandte Anna ein.
»Ich weiß. Aber was soll ich tun? Warten, bis alle versammelt sind, und dann wie ein Schaf vor ein Rudel Wölfe hintreten und zugeben, dass Konrad IV . leider nicht in der Lage ist, zu kommen, geschweige denn einen Hoftag abzuhalten? Sie würden mich zerreißen!« Er holte einmal tief Luft, bevor er weitersprach. »Was ich Euch jetzt anvertraue, ist zwar noch ein Gerücht, aber es wurde mir von einer hochstehenden Persönlichkeit unter dem Siegel der größten Verschwiegenheit mitgeteilt. Ihr müsst mir beim Blute Christi versprechen, dass es unter uns bleibt!«
Anna und Bruder Thomas warfen sich einen Blick zu und nickten ernst.
»Ihr habt unser Wort«, sagte Anna.
Der Graf wurde so leise, als hätten die Wände Ohren. »Es gibt das Gerücht, dass der Erzbischof mehrere Kandidaten an der Hand hat, die großes Ansehen auf welfischer Seite und deren Unterstützung genießen. Konrad von Hochstaden soll nur auf den richtigen Moment warten, einen von ihnen zum Gegenkönig auszurufen.«
»Er wird diese Gelegenheit nutzen«, stellte Bruder Thomas lapidar fest.
»Kein Wunder. Er hat sie ja verursacht«, sagte Anna niedergeschlagen.
Graf Georg zog ein deprimierendes Resümee. »Unter diesem Gesichtspunkt kommt erst seine ganze Niedertracht zum Vorschein. Der Erzbischof hat das alles von langer Hand vorbereitet. Seinen Griff zur Macht. Dass der König im Sterben liegt, ist Teil seiner Strategie. In dem Augenblick, in dem ich zugeben muss, dass Konrad IV . nicht in der Lage ist, sein Zepter in der Hand zu halten, wird der Erzbischof einen Gegenkönig inthronisieren und mit dem Argument, dass er damit die Schwäche des Reiches überwinden will, alle Macht an sich reißen. Er kann sogar darauf hoffen, dass er mit diesem Taschenspielertrick Fürsten auf seine Seite bringt, die bisher den Staufern die Treue hielten. Weil sie befürchten, dass beim offenen Ausbrechen eines Kampfs um die Krone das Ende des vom Kaiser garantierten Landfriedens gekommen ist. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Krieg um die Vorherrschaft, und die Fürsten zerfleischen sich alle gegenseitig. Was das für uns alle und die Menschen im Land bedeutet, brauche ich Euch nicht auszumalen. Wir können davon ausgehen, dass der vom Erzbischof designierte König nur eine Marionette ist, deren Fäden er in der Hand hält. Damit wäre Konrad von Hochstaden der eigentliche Herrscher des Heiligen Römischen Reiches nördlich der Alpen. Was Kaiser Friedrich im fernen Pülle niemals verhindern kann, er hat mit den großen und reichen Städten im oberen Italia genug zu tun, die ihm alle feindlich gesinnt sind.«
Anna brachte den Exkurs des Grafen auf den Punkt. »Also würde ein Hoftag ohne Konrad IV . zu nichts anderem führen als zu einer Spaltung des Reiches.«
Die Last der Verantwortung war Graf Georg anzusehen. »Genauso ist es. Mit allen unabsehbaren und zerstörerischen Folgen.«
Anna ging in ihren Schlussfolgerungen noch ein Stück weiter. »Verzeiht, aber ich glaube nicht, dass sich Konrad von Hochstaden damit zufriedengibt. So, wie ich ihn kenne, wird er dann erst einmal mit allen staufischen Anhängern blutig abrechnen. Und wir alle stehen ganz oben auf seiner Liste.«
Wieder schwiegen sie. Die Konsequenzen dessen, dass Konrad das Kind handlungsunfähig auf Leben und Tod im Nebenzimmer lag, mussten unweigerlich in einer Katastrophe enden.
»Das können wir nicht zulassen«, sagte Anna schließlich in die schwer lastende Stille hinein.
Die Blicke von Graf Landskron und Bruder Thomas richteten sich ungläubig auf sie. Auf die schmächtige, aber energische Medica, deren Augen auf einmal vor Verwegenheit blitzten. Eine junge Frau, vor kurzem noch ein Mädchen aus dem Kloster, wollte es mit dem mächtigsten und machthungrigsten Mann weit und breit aufnehmen, dem mit allen Wassern gewaschenen und skrupellosen Erzbischof von Köln? War sie jetzt vollkommen anmaßend geworden? Es war, als würde ein weiblicher David den Riesen Goliath herausfordern. Nur dass dieser David namens Anna nicht einmal eine Steinschleuder hatte und unscheinbar, schutzlos und mit bloßen Händen dastand. Schon wenn der Schatten des Riesen auf sie fiel, war sie nicht mehr zu sehen. Aber trotzdem würde sie nie klein beigeben. Niemals.
Bruder Thomas kannte Anna gut genug, um ihr vom Gesicht ablesen zu können, dass sie vorhatte,
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