Die Rache Der Nibelungen
abgelehnt, als er nicht das Gesicht des Mannes trug, der ihr im heißen Traum versprochen worden war. Natürlich hatte der Sachse kräftige Muskeln, und sein Haar war lang und wellig, aber sonst stimmte nichts: Er roch nach Stall, hatte Läuse im Bart, den er beständig kratzte, und sein Kiefer stand schief, da ihn als Kind ein Pferd getreten hatte. Sein Gesicht trug seither den Ausdruck ständigen Missvergnügens. Leider konnte Xandria sehen, dass gerade ihre kaum zu verbergende Ablehnung Wulfgar große Freude bereitete, und lange redete er mit dem Prinzen, als hielte er ihn für den idealen Bräutigam. Es war das Glück der Prinzessin, dass Yor mit einem entscheidenden Mangel angereist war – die Krone von Sachsen war ihm nicht sicher. Zwei weitere Brüder sowie ein Onkel, Bruder des verstorbenen Königs, zankten sich um den Thron, und der Sieger war noch nicht abzusehen, so sehr Yor sich das auch einredete.
Gemeinsam, nur mit den Ratgebern beider Seiten in Hörweite, saßen sie an einem Tisch und diskutierten über gebratenen Wachteln und gedünsteten Rüben. Der Prinz zwinkerte Xandria wieder zu, wie er es seit Stunden tat, und mittlerweile mutmaßte sie einen Fehler in der Muskulatur seiner Augen.
»Wie schaut es an den Grenzen aus zwischen Sachsen und Franken?«, wollte Wulfgar von seinem Gast wissen. Er nutzte die Gelegenheit der Brautschau geschickt, um sich auf den neuesten Stand zu bringen.
Yor hob die Schultern. »Theudebald macht keine Anstalten, den Fuß auf unseren Boden zu setzen. Gut für ihn. Wir würden ihn abhacken und essen.«
Das war nur wenig übertrieben. Die Sachsen waren ein sehr wildes Volk, kaum gezähmt von Ackerbau und Viehzucht. Erst seit wenigen Generationen bauten sie Häuser, die mehr als dem Winter trotzen sollten, und der jeweilige König hatte beträchtliche Mühe, Dutzende Stammesfürsten bei Laune zu halten. Auch das eigene Reich definierten die Sachsen bei Bedarf gerne nach Laune – das Königreich Thuringia hatten sie sich vor kaum vierzig Jahren einverleibt, was bis heute der Grund für die Vorsicht der edlen Franken war.
»Wir sind glücklich, als Freund zwischen den Reichen zu wirken«, sagte Wulfgar diplomatisch.
Yor spuckte einen kleinen Knochen aus, der Xandrias Wange knapp verfehlte. »Darum träfe sich der Bund unserer Häuser gut. Wenn Ihr nicht mehr seid, wird der Xantener Wappen-Wolf unter der Streitaxt der Sachsen flattern.«
Wulfgar warf seiner Tochter einen verstohlenen Blick zu – soeben hatte sich Yor auch in seinen Augen endgültig disqualifiziert. »Es wird abzuwarten sein, welches Reich den Schutz der anderen Streitmacht zuerst benötigt. Wie man hört, hat Sachsen sich einen Feind im Süden gemacht, der schon seine Pferde für den Feldzug zäumt.«
Yor ließ den gebratenen Vogel fallen und wischte sich die fettigen Hände an seinem Hemd ab. »Kaum. Sogar Reiter aus unseren eigenen Stämmen baten kürzlich um Erlaubnis, sich dem neuen und sehr reichen Herrn anschließen zu dürfen, diesem ... diesem ... Siegfried, heißt er wohl. Kein Sachse reitet gegen seinesgleichen.«
Wulfgar runzelte die Stirn. »Aber dass ein Heer zum Marsch sich in Burgund aufstellt, das bestreitet Ihr nicht?«
Yor schüttelte den Kopf. »Wir bestreiten nicht, was jeder sehen kann, König Wulfgar. Allein – das Ziel des Heers sind nicht wir.«
Wieder tauschten Vater und Tochter einen Blick. Was ein freimütiges Brautwerben hatte sein sollen, war mit einem Mal in düstere Vorahnung umgeschlagen.
»Sodann, der Worte sind genug gewechselt. Meine Tochter, die Prinzessin, dankt Euch für Euer Erscheinen, das den ganzen Hof adelt. Erwartet unsere Antwort bis zum Sommer.«
Yor nickte, zwinkerte noch einmal Xandria zu und verließ den Saal. Vor der Tür rülpste er kräftig.
Wulfgar saß stumm da, bis er sicher sein konnte, dass die Sachsen außer Hörweite waren, dann brüllte er seinen Ratgebern zu: »Holt meine Generäle, schafft Henk herbei, bringt mir die Kommandeure der Grenzposten!«
Er drehte sich zu seiner Tochter. »Und du gehst mir wieder aus den Augen – dein Glück, dass Yor kaum Aussicht auf den Sachsen-Thron hat, sonst hättest du heute deinen Bräutigam getroffen.«
Natürlich log er – Sachsen wäre für Xanten nur ein guter Zug gewesen, wenn sich das wesentlich größere Stammesreich durch die Ehe bereitwillig der Verwaltung des kleineren Rhein-Landes unterworfen hätte. Doch das war auszuschließen nach dem, was York gesagt hatte.
Xandria stand auf,
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