Die Rache Der Nibelungen
Gemüt.«
Die Männer unter ihrem Befehl brauchten nicht einzustimmen – jeder wusste, dass sie ähnlich empfanden.
»Vielleicht gelingt es mir, eure Stimmung zu bessern«, kam eine alte Stimme, die im harten Winter weiter gelitten hatte.
Die hagere Gestalt in der dicken Winterkutte, die leise hinzugetreten war, schob die Kapuze vom Kopf auf die Schultern.
Eolind.
Ihn hier zu sehen war mehr als ungewöhnlich. Es war vereinbart worden, direkte Kontakte zu vermeiden und nur unauffällige Kuriere über das Land zu schicken. Seine Botschaft musste von höchster Dringlichkeit sein, um die Gefahr der Entdeckung zu rechtfertigen.
Die Männer grüßten den höchsten Mann im Staate, der Eolind momentan war, und boten ihm gewärmtes Bier für die kalten Knochen.
»Welche Nachricht bringt Ihr?«, fragte Gelen, dessen Herz frohe Kunde brauchen konnte.
Eolind setzte sich auf einen Stein, nahm einen tiefen Schluck und hielt dann die Hände zum Feuer. »Ein Schiff aus Xanten legte heute Morgen an. Mittlerweile nehmen sie Stühle, Tische, Laken – was immer sie noch in der Burg finden können.«
»Sie würden die Burg Stein für Stein abbauen und nach Xanten verschiffen, wenn sie nicht in den Fels gehauen wäre«, knurrte Jon.
»Die Bedürftigkeit Wulfgars ist an sich schon ein gutes Zeichen«, hielt Eolind dagegen. »Reich und unbesiegbar bräuchte er Isländer Holz nicht. Doch das ist nicht der Grund, warum ich trotz aller Gefahren über das Land ritt.«
Ein paar Sekunden gönnte er der Spannung seiner Zuhörer, bevor er weitersprach. »Statthalter Sten wurde vom Kapitän des Schiffes bei Wein und Fleisch über den Stand im Reich informiert. Ich hörte, was zu hören meinen Ohren nicht bestimmt war. Ein neues Heer formiert sich auf dem Kontinent. Bei Worms heuern sie Reiter und Schützen, Schwertkämpfer und Lanzenwerfer. Die Schmiedefeuer werden selbst des Nachts nicht kalt.«
»Was hat das mit uns zu tun?«, fragte einer der Männer, die meistenteils nicht einmal wussten, wo Worms auf den Karten zu finden war.
Eolind lächelte milde, wie er lange nicht mehr gelächelt hatte. »Die Spione Wulfgars melden, dass der Drang des neuen Heers nach Norden geht und an der Spitze ein blonder Krieger steht, dessen Name Siegfried lautet.«
Ein unsicheres Gemurmel brach aus, Fragen wurden hin und her geflüstert, bis Jon die Stimme erhob. »Siegfried?«
Eolind nickte. »Das ist der Name, den sich unser Prinz gegeben hat – als Sigurd musste er von Island fliehen, als Siegfried wird er es befreien.«
Der alte Ratgeber des Hofes machte sich nicht die Mühe, die Hintergründe von Siegfrieds Namenswechsel zu erklären. Es war mehr, als die Männer verstehen mussten.
Das Licht der Hoffnung flackerte im Mineneingang auf, die Stimmen der Unterdrückten wurden klarer und stolzer. »Dann lebt der Prinz – und kommt, sein Reich zu retten?«
Jon stand auf, neuen Mut in den Augen. »Haben wir je daran gezweifelt, dass die Götter die ruchlosen Taten Wulfgars nicht mit gleicher Münze heimzahlen würden?«
»Wann ist mit dem Angriff zu rechnen?«, wollte Gelen wissen, auch sein Herz neu entfacht.
Eolind hob die Hände. »Das weiß zu dieser Stunde wohl nur Siegfried – nennen wir ihn bei diesem Namen, wenn er ihn so gewählt hat. Doch kein Anführer stellt ein Heer auf, um die Soldaten zechen und würfeln zu lassen. Der Frühling wird sicher die Entscheidung bringen.«
»Was mag Siegfrieds Plan sein?«, fragte Jon. »An Xanten vorbei zur See marschieren, um sein Reich zu befreien – das wäre weder klug noch vom Erfolg gekrönt.«
»Du hast die Antwort selbst gegeben«, sagte Eolind. »Das Ziel des Prinzen, der bald unser König sein wird, ist Xanten. Und glaubt mir – wenn die Kunde vom Untergang Wulfgars kommt, steht Island auf, um seine Peiniger zu richten. Wenn sie auf keine Verstärkung aus der Heimat mehr bauen können, werden Xantens Köpfe rollen, und unsere Söhne werden noch in Jahren mit den Schädeln spielen.«
Er hob seinen Becher, und die anderen Männer taten es ihm gleich. »Auf den Sieg.«
Brunhilde sah aus den Wolken auf die Reiche hinab. Die Luft war dünner als auf dem höchsten Berg, doch da ihre Lungen nicht mehr atmen mussten, machte es ihr nichts aus. Sie schwebte weit über Burgund, und wenn sie den Blick nach Norden wandte, sah sie bis Island und weit darüber hinaus. Ihre Augen waren so scharf, dass sie die Hühner auf den Wormser Höfen sehen konnte und die Schiffe im Hafen von Fjällhaven. Ihr
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