Die Rache Der Nibelungen
war. Dass jeder Versuch, sich etwas mehr Freiheit für die Reise zu erschachern, umsonst sein würde.
Aber – eine Absage?
»Ich reise nach Dänemark«, murmelte Sigurd ohne eine Regung, als spräche er sich selber Mut zu. »Es wurde so versprochen.«
Gernot atmete tief ein – einem Streit mit Sigurd fühlte er sich gewachsen. Schreien und toben, befehlen und fordern, das fiel ihm leichter als die schmerzhaft sanften Gespräche mit Elsa, die ihm immer fast das Herz brachen. Insgeheim hoffte er, Sigurd würde aufbegehren, um einen Wutausbruch des Königs zu rechtfertigen.
Und er hatte Glück.
Sigurd drehte sich zu seiner Mutter. »Ich reise nach Dänemark – das habt ihr mir versprochen!«
»Suche nicht die Erlaubnis deiner Mutter, wo ich sie dir bereits verweigert habe.«
Gernots Worte hatten einen leisen und endgültigen Klang.
Sigurd sprang auf. »Die Erlaubnis war seit Monaten gegeben – von Euch! Ihr könnt nun nicht ohne Grund das eigene Wort brechen!«
»Wenn ich als König sonst nichts könnte, so dann doch meine Entscheidungen überdenken«, widersprach Gernot. »Und solange ich denken kann, wiegt der Wille des Prinzen nicht die Macht des Königs auf!«
»Wenn diese Burg mein Schicksal ist – was unterscheidet dann den Prinzen vom niedersten Diener?«, rief Sigurd empört. Die Muskeln seiner Arme arbeiteten, und schließlich warf er seinen Kelch wütend zur Seite.
»Allein schon die Tatsache, dass ihm für ein solches Aufbegehren keine schwere Strafe droht!«, hielt Gernot dagegen. »Sigurd, deine Wut findet mein Verständnis, aber meine Entscheidung wird sie nicht ändern.«
Sigurd sah wieder zu seiner Mutter. »Und du? Willst du mich auch hier gefangen halten, als wäre ich nicht dein Sohn, sondern dein Sklave?«
Elsa kämpfte mit den richtigen Worten, doch im Streit lag nicht ihre Stärke. Es war wieder Gernot, der antworten musste. »Wenn der Unterschied vom Sohn zum Sklaven für dich nur in der Frage liegt, ob ich dich am dänischen Hof huren lasse, bis der Suff deinen Geist zerfrisst, dann ist es mir egal!«
Sigurd konnte nicht sofort antworten, denn er war noch zu erschrocken, dass Gernot seine geheimsten Absichten zu kennen schien. Der König lachte bitter. »Was? Hast du geglaubt, du bist der erste Jüngling, den die Lenden zur Sünde rufen? Die Hafenstädte sind voll von Herumtreibern und Taugenichtsen, die in ihrer Pisse erwachen und sich der Brüste rühmen, zwischen die sie ihre Zunge gesteckt haben!«
Elsa mochte nicht, dass ihr Mann und König so sprach, auch wenn er recht haben mochte. Es war ihr unvorstellbar, dass Gernot oder Sigurd jemals so beschämend einfache Gelüste verspüren konnten.
Sigurd wusste, dass er den Streit vor diesem Hintergrund nicht gewinnen konnte. Jede verschwenderische Beschreibung der guten Taten, die er zu tun beabsichtigte, würde im heißen Licht der fleischlichen Wahrheit verwelken. Er hatte seinen Vater unterschätzt – und die Tatsache, dass auch sein Vater mal ein junger Mann gewesen war.
»Habe ich behauptet, keine Fehler machen zu wollen, keine Dummheiten zu begehen?«, versuchte er es darum mit der Bitte um Einsicht. »Aber wie soll ich denn die Welt verstehen – wenn ich sie nicht zu sehen bekomme? Wie soll der Prinz so ein König werden?«
Gernot wusste zuerst nicht, wie er antworten sollte – denn der Junge hatte recht. So wie ein Vogel im Käfig nicht fliegen lernen konnte, so konnte ein Prinz in der Burg den Charakter nicht bilden. Die Heimat lernte man nur in der Fremde zu schätzen. Doch er hatte Elsa versprochen, Sigurd nicht – nicht jetzt! – ziehen zu lassen, und zumindest dieses Versprechen wollte er halten. »Wenn es etwas gäbe, mit dem du mich umstimmen könntest – ich würde bis zum Morgengrauen mit dir feilschen. Aber die Entscheidung ist gefallen, und für dieses und das nächste Jahr wird jeder Tag für dich ein Tag in Island sein.«
Sigurds Wut suchte ein Opfer, ein Ziel. Wäre der Dryk noch in der Nähe gewesen – der Prinz hätte ihn mit bloßen Händen erwürgt, nur um das kochende Blut zu besänftigen. Aber gegen König und Königin gab es keinen Aufstand, und so konnte er sich nur zu seiner Mutter drehen. »Mutter – ist seine Entscheidung auch deine Entscheidung?«
Elsa konnte nicht zugeben, dass es mehr ihrer als der Wille Gernots war, darum senkte sie den Blick. »Es ist
unsere
Entscheidung.«
Sigurd nahm einen tiefen Atemzug, dann wischte er sich den Bratensaft mit dem Ärmel vom Mund und stand
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