Die Rache Der Nibelungen
gedrängelt, an dem Sigurd und Gelen gerade ihr letztes Stück Fleisch verspeist hatten.
»Der Braten kam mir gerade recht«, verkündete Gelen, schlug sich mit der Faust auf die Brust und rülpste zufrieden. »Das Bier scheint mir jedoch gepanscht. Ich habe schon dreimal hinter die Hütte gepisst, und mein Schritt ist immer noch gerade und sicher.«
Sigurd lachte und schenkte seinem Freund nach. »Dann musst du dich mehr anstrengen. Vielleicht sollten wir auch noch Met bestellen. Man sagt, die Mischung steigt zu Kopf.«
»Das mag stimmen«, grunzte Gelen, »jedoch erst am nächsten Morgen. Und dann zahlt Ihr den Preis der Nacht doppelt.«
Sigurd sah sich um. »Ich hoffe, der gute Jon findet uns. Er sollte doch langsam mal ein Nachtlager für uns aufgetrieben haben.«
Er bemerkte nicht, dass Gelen und einer der Langobarden gleichzeitig nach dem Krug griffen. Der Isländer war zu naiv, um darin mehr als ein Versehen zu erkennen. »Entschuldigt, aber dieser Krug ist von unseren Münzen bezahlt.«
Der Langobarde, von gepflegter, aber herrischer Art, machte keine Anstalten, die Hand vom Krug zu nehmen. Gelen blieb freundlich. »Wenn Ihr mit uns anstoßen wollt, so bin ich sicher, dass der Krug noch alle Kelche füllen kann.«
Der Langobarde beugte sich vor und spuckte dann langsam in den Krug. »Ich trinke nicht mit isländischem Heidenpack.«
Gelen wollte sich sofort auf den Widerling stürzen, aber Sigurd hielt ihn zurück. »Komm schon, mein Freund, wir wollen nicht am ersten Abend in Dänemark böses Blut.«
Der isländische Prinz wandte sich an den Langobarden. »Ihr sprecht von Heiden. Ich hörte, dass sich Euer Reich in Toledo vor nicht langer Zeit dem einen heiligen Gott unterworfen hat.«
»Dem heiligen und wahren Gott«, knurrte der Krieger, der augenscheinlich auf Streit aus war.
»Wir haben viele Christen in Island«, erklärte Sigurd, »sogar meine Mutter ...«
Bevor er weitersprechen konnte, beugte sich Gelen dazu und zischte: »Langobarden? Ich habe gehört, Euer Herrscher Agilulf treibt es mit den Schweinen, weil sie immer noch hübscher sind als Eure Frauen!«
Er drehte sich triumphierend grinsend zu Sigurd um und sah deswegen die Faust des Langobarden nicht, die gleich darauf gegen seinen Schädel krachte.
Die beiden Langobarden auf der anderen Seite des Tisches griffen sofort nach ihren Kurzschwertern. Sigurd blieb keine Zeit, sich eine Strategie zu überlegen. Gelen war zu benommen, um wegzulaufen, und wenn die Raufbolde erst mal ihre Waffen in der Hand hatten, war es für jede Gegenwehr zu spät.
Also sprang er mit einem Schrei über den Tisch und warf seinen Körper wuchtig gegen die Angreifer, die er damit zu Boden riss. Die Menge der Tavernengäste um sie herum rutschte eilends auseinander, ließ das Spektakel aber nicht aus den Augen.
Gelen hatte mittlerweile wieder einen klaren Kopf und trat, noch auf der Bank sitzend, dem Langobarden unter das Hemd. Er packte den Krug, und mit einem Schwung hatte der Streithahn das bespuckte Bier im Gesicht. Wütend sprang er auf die Füße und zog aus einer Mantelfalte einen Dolch. Gelens Augen wurden groß – damit hatte er nicht gerechnet.
»Das wirst du bezahlen«, knurrte der Langobarde.
Doch dazu kam es nicht, weil von hinten ein Krug auf seinen Schädel krachte und in tausend Stücke zerbrach. Ein ungepflegter alter Krieger nickte Gelen freundlich zu. »Wir Awaren können die Langobarden auch nicht leiden.«
Damit hätte die Rauferei eine gute Wendung nehmen können, wenn nicht von links der Schrei ertönt wäre: »Awaren?
Packt sie!
«
Sekunden später herrschte heilloses Chaos in der Schenke. Römische Soldaten gegen Awaren, Langobarden gegen Sachsen, Franken gegen Dänen – es war, als hätten alle nur auf die Gelegenheit gewartet, sich aufei-nanderzustürzen und in wildem Gedränge die Tische und Bänke zu zerlegen. Man hörte Holz splittern, Knochen knacken, und hier und da brüllten die Männer ihren Mut heraus. Die Schankmägde huschten behände aus der Menge und gönnten sich eine Pause, um dem Getümmel zuzusehen. So manche guckte sich den Krieger aus, dessen Wunden sie in der Nacht zu pflegen beabsichtigte.
Sigurd hielt sich gut, die Trainer bei Hofe hatten ihn gelehrt, im Kampf zu bestehen. Er teilte Schläge links und rechts aus, duckte sich unter einem römischen Schild weg und zog einen Goten an seinem langen Zopf so ruckartig auf die Tischplatte, dass dieser mit verdrehten Augen liegen blieb. Dann gönnte sich der
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