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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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nach Sussex, um aus den Wäldern der Sachsen eine größere Menge Holz zu holen. Man konnte den Winter in der Luft riechen, wenn man es nur wirklich versuchte.
    Die Sachsen waren ein eher grobes Volk, und die gepflasterten Straßen und Siedlungen der Römer waren unter ihrer Herrschaft schnell verfallen. Aber dafür waren sie weitgehend friedfertig. Die Kriege des Kontinents waren hier, im alten Britannien, kaum von Bedeutung. Natürlich gab es mal Raufereien an den Grenzen zwischen den Angeln und den Jüten, den Jüten und Sachsen, den Sachsen und Angeln. Aber bevor sich die Leichen stapelten, zog man sich zu gemeinsamen Gelagen zurück, und alles war vergessen. Es war diese Gelassenheit, die Nazreh nach Sussex gelockt hatte. Hier war niemand jemandes Feind, und keiner kam je, um dem Araber seine kleine Hütte und die paar Schafe an der Küste streitig zu machen. Und in keiner Taverne spottete man ob seiner Hautfarbe oder ob der kunstvollen Tätowierungen, die seinen Körper von den Füßen bis zur Stirn bedeckten.
    Er fragte sich, ob die Ankunft des Fremden ein Zeichen war. Ein Omen, dass Veränderungen anstanden. Oder gar der Aufruf, diese Veränderungen in die Wege zu leiten. Über die Jahre hatte Nazreh zu viel gesehen, um nicht an Bestimmung zu glauben.
    Er kehrte in die Hütte zurück und warf das Holz in die Feuerstelle. In der Ecke lagen immer noch die Fetzen von Kleidung, die er dem jungen Mann vom Körper gezogen hatte. Dem Kreuzmuster der Stiche nach kam er aus dem Norden. Vielleicht ein Däne. Oder ein Isländer. Aus Island hatte man Schlimmes gehört in letzter Zeit.
    Nazreh nahm ein Stück saures Brot, goss Milch in eine Holzschale und setzte sich neben die Truhe, in der sich sein einzig wahrer Besitz befand, und den er über die Jahre durch manchen schweren Weg geschleppt hatte.
    Bücher. Chroniken. Reiseberichte.
    Einige hatte er gekauft, andere von Banausen gestohlen, wieder andere bei Mönchen eingetauscht.
    Er fand einen kleinen Band, zusammengehalten mit brüchigen Lederbändern, und mit grob geschnittenen Seiten.
    Es war der Lebensbericht eines römischen Centurios, und er mochte an die zweihundert Jahre alt sein.
    Sicher eine gute Lektüre, während Nazreh darauf wartete, dass der Patient in seiner Obhut wieder auf die Beine kam.

    Wulfgars Ankunft, mit den siegreichen Truppen hinter sich, war eine Rückkehr, keine Heimkehr. Wie hätte Xanten für den Usurpator, der sich den Thron erschlichen hatte, auch eine Heimat sein können? Und es war zwar das Volk, das am Wegesrand stand, um seine geforderte Aufwartung zu machen, doch es war nicht
sein
Volk. Die Kolonne aus Soldaten, Söldnern, Trägern und Gefangenen war so lang, dass die Spitze ein Dorf erreichte, bevor ihr Ende das vorherige verlassen hatte. Doch die Schlange aus schmutzigen Leibern wälzte sich nicht durch Jubel und trunkene Freude, und die bunten Tücher der Xantener hingen schlaff in müden Händen. Nicht wenige Blicke, besonders aus jungen Augen, warfen Hass und verrieten Rebellion im Herzen.
    Keine Liebe war zwischen Xanten und dem Königshaus. Das Heer bestand aus Lohnkriegern der umliegenden Reiche, deren Sold aus dem Schweiß der Armen gepresst worden war, und die Söldner suchten nicht nach Anerkennung und Respekt. Kaum hatte der König den Zug gen Island für beendet erklärt, faserten sie aus den Reihen der Streitkräfte aus, suchten in Tavernen nach Wein und Weibsvolk. Die kargen Münzen ließen sie in ihren Börsen, und wie von Island gewohnt, nahmen sie sich das, was ihnen nicht zustand – in dumpfer Freude über die Gewalt, die sie dabei anwenden konnten.
    Auch der Xantener Kern des Heers bediente sich, plünderte letzte Reste aus sterbenden Dörfern und verstärkte das Leid, während die Boten des Königs überall vom »stolzen Sieg des stolzen Landes« plärrten.
    Mit seiner Garde und den Getreuen beeilte sich Wulfgar, in die Burg zu kommen – die grauen dumpfen Gesichter der ausgemergelten Untertanen verdarben seinen Appetit. Er hatte dem Xantener Pack den Sieg über Island heimgebracht, aber Dank konnte er dafür scheinbar nicht erwarten.
    Nur in der Burg im Herzen von Xanten mühte man sich, dem jähzornigen König die Rückkehr so prachtvoll zu gestalten, wie er es für angebracht hielt. Zwölf Trompeter kündeten es von der Burgmauer über dem Tor, als Wulfgar heranritt. Der Hofstaat war herausgeputzt, die Damen in hellen Kleidern, die Männer in Hemden mit dem Wappen des Hauses. Akrobaten sprangen zur

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