Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
und plötzlich konnte Sigurd sehen, wie der Krieger mit dem Drachenkopf und Gold auf einem hölzernen Schlitten durch den Wald zog. Der gerechte Lohn für einen großen Kampf.
    »Heda!«, rief Sigurd, obwohl er sich kaum etwas davon versprach, einen Fiebertraum anzureden.
    Doch der Krieger hielt tatsächlich inne und wandte den Blick nach oben, wo Sigurd schwerelos im Nebel schwebte. Nun konnte der Isländer Prinz das Gesicht genau in Augenschein nehmen – und es war sein eigenes.
    Sie lächelten einander zu.
    Dann kam der Wirbel.
    Aus dem Nebel formte sich ein pfeifender Trichter, der die Bilder dieser seltsamen Umgebung mit sich riss, zerstückelte und wieder in die Gegend spuckte. Die Gewalt des Wirbels zerrte an Sigurd, und da sich der Prinz nirgendwo festhalten konnte, wurde er aufgesogen wie ein Blatt vom Waldboden. Seine körperlose Gestalt begann sich zu drehen, immer schneller, und die Welt um ihn herum verschwamm vollends in Streifen und Schemen. Sigurd hob die Arme, um sich abzustützen, aber es gab keinen Halt. Der Strudel zog ihn in alle Richtungen gleichzeitig, als wollte er die Seele des Prinzen zerfetzen.
    Und wieder Bilder. Laute. Flimmernd, einzeln, ungenau. Eine prächtige Stadt. Eine blonde Frau, seltsam bekannt. Plötzlich Blut aus den Haarwurzeln, die den Schopf rot färbten. Das Gesicht jünger jetzt, und schöner noch.
    Heerscharen auf dem Feld. Ein Duell. Wieder der Krieger. Flammen überall, brennende Schiffe.
    Wulfgar auf dem Thron. Nicht der Isländer Thron. Xanten? Er lachte.
    Ein Schwert wie kein anderes.
    Der Schrei eines neugeborenen Kindes.
    Ein Ring.
    Und diese Frau. Die Frau in Schwarz. Eine Kriegerin, ohne Zweifel. Ihre Arme ausgestreckt, nach Sigurd greifend.
    »Siegfried.«
    Er wollte ihre Hand nehmen, sich an ihr stützen.
    Die Hand war kalt.
    Sie hielt ihn fest, zog ihn zum Kuss an sich, und mit ihren Lippen spürte er die Klinge zwischen den Rippen.
    Schmerz. Sigurd wurde Schmerz. Nur noch Schmerz. Und nur noch Schreie.
    Er schrie so laut, dass sein Atem den Nebel teilte. Schrie, bis der Wirbel erstarb. Und er schrie noch, als ihm klar wurde, dass er wieder im Leben war.
    Zurück im Leben.
    Auf einer Pritsche, in einer Hütte, irgendwo in einem fremden Land.
    Zurück im Leben.
    Der Schmerz blieb. Sigurd schrie weiter.
    Eine dunkle Hand drückte seinen Kopf zurück auf das Fell. Ein Gesicht, ledern und finster.
    »Ich weiß«, hörte Sigurd eine Stimme. »Aber der Schmerz wird abklingen. Von Tag zu Tag.«
    Für einen Moment hielt Sigurd alles noch für einen Traum, ein weiteres Trugbild. Doch er spürte das gebrochene linke Handgelenk, fühlte den Holzrahmen der Pritsche unter seinen Füßen und roch die Salbe in den Tiegeln neben seiner Schlafstatt.
    Und Schmerz. So viel Schmerz. Er zitterte, die Augen im Kopf verdreht, Speichel von den Lippen sprühend.
    Zum ersten Mal, seit er auf dem Schiff das Bewusstsein verloren hatte, drängte ein klarer Gedanke in Sigurds Kopf, verlangte der Verstand sein Recht. Er wusste, wer er war, und wo er war. Er wollte die Finger bewegen, und sie taten es – wenn auch widerstrebend.
    Er war am leben.
    Er war
im
Leben.
    Es war der einzige Gedanke, den er brauchte. Und es war der einzige Gedanke, zu dem er fähig war, bevor sich seine Augen wieder schlossen.
    Nicht mehr zur Ohnmacht.
    Zum Schlaf.

    Nazreh lächelte, als er sah, dass der junge Mann gleich wieder eingeschlafen war. Kein Wunder. Ein Wunder war, dass er überhaupt noch lebte. Der Heilungsprozess hatte dem Körper vermutlich mehr abverlangt als die schlimmen Tage auf dem Meer, die er sicherlich hinter sich hatte. Es war dem stolzen Orientalen kaum gelungen, zwei Löffel Suppe in den geschundenen Krieger zu bekommen, und das in drei Tagen!
    Aber dieser Fremde war von außergewöhnlicher Zähigkeit, die seinem Alter spottete. Offensichtlich
wollte
er nicht sterben, und sein Leben klammerte sich an diesen Willen.
    Nazreh tupfte seinem »Gast« die Stirn ab und lockerte die Lederschnüre etwas, mit denen er die Handgelenke an die Pritsche gebunden hatte. Im Fieberwahn hatte der junge Mann immer wieder um sich geschlagen und damit seine Genesung gefährdet.
    Er würde jetzt noch eine Weile schlafen. Morgen war vielleicht die erste Gelegenheit, sich zu unterhalten, auch wenn Nazreh keine Ahnung hatte, was für eine Sprache der Fremde auf seiner Zunge trug.
    Vor der Hütte sammelte er trockene Zweige und ein paar Wurzeln für das Feuer. Das würde bald nicht mehr reichen, und dann musste er

Weitere Kostenlose Bücher