Die Rache Der Nibelungen
zum Opfer gefallen – ohne heiße Wut hätten die Nibelungen seinen Tod zur Kenntnis genommen. Zehn, zwanzig Jahre, bedeutungslos. Aber er nahm ihre Gnade nicht an, verstand nicht die Bewährung, die sie ihm gegeben hatten. Jeder Weg vom Rhein fort hätte ausgereicht, doch der junge Sigurd schien entschlossen, seine Bestimmung bei den Nibelungen zu suchen.
Vom Vater das Heeerz ... doch nichts geleeernt von dessen Schicksaaal
...
Aneinander verstärkte sich die Raserei, die Gesamtheit ihres körperlosen Seins zitterte so stark, dass es sich auf den Schmutz am Boden übertrug, und die Staubkörner hüpften, als ob schwere Stiefel den Boden stampften. In ihrer Wut gaben die Nibelungen einander Gewissheit.
Sigurd musste sterben.
Sein Bluuut ... im Boooden ... unseres Waaaldes
...
Es würde Zeit genug sein, sich vorzubereiten. Ohne den Drachen als Hüter war es geboten, auf ihre grundsätzlichen Fähigkeiten der Täuschung und der Gaukelei zurückzugreifen. Nichts, was Sigurd im Nibelungenwald sah, durfte wahr sein.
Jeder Schritt ins Niiichts ... jeder Blick in die Lüüüge
...
Sie würden eine Falle stellen, so groß und prächtig, dass die Wahrheit selbst in ihr verschwand. Sigurd würde sterben, weit weg vom Gold, und in Schande.
Unser Friiieden ... mit Tod bezaaahlt ... eeendlich
...
Doch wie mitunter ein Tropfen Milch ein ganzes Glas Wasser trüben konnte, so schob sich eine einzelne Stimme in das Säuseln und Zischeln, begehrte auf, bot Widerstand.
Kein Friiieden ... nur Raaache ... nie Ruuuhe
...
Auch wenn die Nibelungen einzelne Wesen waren, die sich zur Gemeinschaft verbanden und in ihr als eine Gestalt fühlten, so waren sie doch gemacht aus vielen. So sehr sie sich mühten, aus allen Mündern nur mit einer Stimme zu sprechen, konnten sie doch nicht verleugnen, dass dereinst jeder für sich gewesen war. Wie eine Herde, der eine Kuh auf dem Wege stehen blieb, bot einer der Nebelzwerge dem Rest die Stirn.
Einer war dagegen.
Sie, die lange keine Namen mehr hatten, wussten und fühlten es.
Und es kam nicht als Überraschung, dass er dereinst unter den Menschen gelebt hatte, als sein Wesen noch Fleisch und Knochen war, Blut und Kraft.
Reeegin ... Reeegin ... Reginreginregin
...
Sie begannen, seine schemenhafte Gestalt zu umkreisen, so wütend wie neugierig. Er blieb ruhig, körperlos leicht auf und ab sinkend, wie ein Stück Treibholz auf dem Meer.
Reeegin ... schütze nicht das Bluuut ... wiiieder
...
Er war einst Schmied gewesen, alterslos und weise. Ein Soldat hatte ihm eine schwangere junge Frau gebracht. Die Königin des gefallenen Xanten, mit dem Thronfolger unter dem Herzen. Er hatte sie aufgenommen und den Jungen nach ihrem Tod als Siegfried erzogen. Er hatte ihn gewarnt, nicht nach Burgund zu gehen, das Schicksal nicht zu fordern. Er hatte ihm verboten, gegen den Drachen zu ziehen, um das Recht auf die Hand der Prinzessin Kriem-hild zu erlangen. Es war vergebens gewesen.
Zur Sühne hatte sich Regin den Seinen ergeben, war in den Kreis der Nibelungen aufgenommen worden, hatte in ihrer Mitte die Grausamkeit des Fluches erlebt und das Blut, das er verlangte.
Es war eine harte, aber gerechte Strafe gewesen für jene, die den Willen der Götter verhöhnten.
Doch nun ... Regin zauderte. Das Leben Sigurds zu fordern, die Schuld der Ahnen auf ihn zu legen, es schien ... falsch.
Die anderen Nibelungen widersprachen, während sie kreischend ihn umkreisten.
Kein Friiieden ohne Ende ... kein Ende ohne Toood
...
Sie argumentierten nicht nur mit Worten. Gefühle schwappten zwischen ihnen hin und her, und im Wirbel der Bewegungen suchten sie Einigkeit, die nicht gefunden werden wollte.
Doch das Mühen Regins, die Gemeinschaft der Nibelungen auf seine Seite zu ziehen, den Fluch durch Großmut zu beenden, konnte nicht fruchten in diesem unwirklichen Bund, der seit Jahrhunderten nur Rache kannte und den Hass auf die Körperlichen.
In der Fülle der hetzenden Stimmen erlaubte Regin sich einen Gedanken für sich allein, eine Idee, die nicht verzerrt nach außen hallte, wo die anderen Nibelungen sie hören konnten.
Vielleicht ist der Fluch unser. Vielleicht suchen wir in anderen die Sühne, die uns selbst verwehrt ist
.
Sein Geist wurde schwer und dunkel.
Nazreh und Sigurd hatten an der Südspitze Britanniens auf einem Handelsschiff angeheuert, das sie für ehrliche Arbeit mit auf den Kontinent nahm. Es fielen sogar noch ein paar Münzen ab, mit denen die beiden ihre Börse ergänzen
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