Die Rache Der Nibelungen
einer mondlosen Nacht an Börse und Leben wollten.
Sechs, sieben Räuber umstellten die beiden Reisenden flink und formlos, mit Bogen und Schwert das angesammelte Geld von Nazreh und Sigurd fordernd. Das Blut des Isländer Prinzen kochte im Hunger auf den Kampf, aber sein Kopf behielt die Oberhand. »Mein Freund, ich denke, wir sollten unser weniges Kapital aushändigen.«
Nazreh reagierte unerwartet, weil ganz gegen seinen Charakter ablehnend. »Dort, wo ich herkomme, entlohnt man keinen Dieb.«
Der schmutzige und mit einem verlausten Bart verunstaltete Räuberhauptmann drückte mit einem dröhnenden Lachen sein Schwert gegen Nazrehs Kehle. »Der Hurensohn aus dem Morgenland hängt wohl nicht an seinem Leben?«
Alles in Sigurd drängte zur Gegenwehr, aber sein Freund blieb ruhig. »An meinem Leben hänge ich sehr wohl – nur zweifle ich daran, dass die Herausgabe meines Geldes etwas mit meinen Chancen zu tun hat, den nächsten Tag zu erleben.«
Die anderen Diebe lachten. Nazreh hatte natürlich den Finger in die Wunde gelegt. Die Möglichkeit, die Wegelagerer zur Rechenschaft zu ziehen, war Grund genug, keine Zeugen am Leben zu lassen. Es gab nur wenige Opfer, die das so gelassen und klar einsehen mochten.
Der Anführer knurrte: »Dann nehme ich das Geld wohl nicht zwei Reisenden ab, sondern zwei Leichen.«
»Sechs Leichen«, sagte Nazreh, und die letzte Silbe hing noch in der Nachtluft, als sein Knie das Gemächt des Räubers fand.
Es war zu dunkel, um genau zu sehen, aber Nazreh hielt plötzlich eine kleine Klinge, und die vor Schmerz verdrehten Augen des Anführers brachen endgültig, als ein breiter Schlitz das Blut aus seinem Hals holte.
Sigurd hatte in den Wochen vorher nicht bemerkt, dass sein Freund überhaupt eine Waffe bei sich trug.
Die unerwartete Gegenwehr und der Tod ihres Anführers hatten die anderen Diebe lange genug überrascht, dass ihre Pfeile hilflos durch die Nacht sirrten, als sie endlich die Sehnen der Bögen losließen. Nazreh hatte sich geräuschlos hinter einen Baum geworfen und dabei noch das Schwert aus der Hand des zu Boden stürzenden Diebes gewunden. Er warf die schwere Klinge, ohne hinzusehen, und sie versenkte sich tief in der Brust eines Wegelagerers, der nach hinten wegkippte.
Nun war es auch für Sigurd Zeit, in den Kampf einzugreifen. Mit wenig Erfahrung, aber der Kraft der Jugend warf er sich schwungvoll gegen den Feind, der ihm am nächsten stand, und riss ihn auf das weiche Moos des Waldes. Mit beiden Fäusten drosch er auf seinen Gegner ein, der den Arm mit dem Dolch nicht einmal mehr hochbekam.
Hinter Sigurd röchelte ein Dieb, und als der Prinz sich umsah, konnte er ausmachen, dass Nazreh ein dünnes Kupferband um den Hals seines Opfers geschlungen hatte und durch ein kräftiges Verschränken der Holzstäbe an beiden Enden einen schnellen Tod suchte.
Zwei weitere Wegelagerer erkannten die Unwahrscheinlichkeit lohnender Beute und den drohenden Tod angesichts der wehrhaften »Opfer« und traten den raschen Rückzug in den Wald an. Einen erwischte Nazreh noch mit einem Dolch zwischen die Schulterblätter.
Der Kampf hatte kaum zehn Herzschläge gedauert.
Nazreh strich sich den Umhang glatt, als wäre er nur gestolpert. »Es ist gut, immer einen Dieb am Leben zu lassen, damit er andere Strolche vor uns warnen kann.«
»Ich denke, den Rest dieses Waldes brauchen wir uns vor Hinterhalten nicht mehr zu fürchten«, murmelte Sigurd, und er bemerkte, dass er Blut an den Händen hatte. »Selbst unter Soldaten habe ich solches Kampfgeschick noch nicht gesehen.«
Der Araber winkte ab, während er seinen winzigen Dolch am Hemd eines Toten reinigte. »Selbst wenn man keinen Kampf zu führen trachtet, so mag es doch von Vorteil sein, wenn man ihn beherrscht. Nicht immer hat man die Wahl, dem Gegner auszuweichen.«
Sigurd
wusste
, dass es nur die halbe Wahrheit war, nur die halbe Wahrheit sein
konnte
. Was genau gab Nazreh diese Fähigkeiten? Hatte er einst als Wache im Dienste eines großen Königs gedient? War er als Gladiator in den Arenen aufgetreten, die es noch in den letzten Außenposten der Römer angeblich gab? Er konnte es nur vermuten, denn Nazreh hatte augenscheinlich kein Interesse, darüber zu sprechen.
Vom Feuer des Kampfes gewärmt und aufgeweckt, setzten sie ihren Weg zum Rhein noch in der Nacht fort.
Zwei Tage später sah Sigurd den Wolf. Von seinem Rudel offensichtlich verstoßen und an der Schulter verletzt, hinkte das Tier zitternd durch den Wald,
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