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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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konnten.
    Xanten mieden sie weislich, und ihr Weg führte sie stattdessen westlich am Reich des Wulfgar vorbei, durch das Grenzgebiet der Franken. Nazreh wunderte es ein wenig, dass sein Freund den kürzesten Weg verweigerte, nicht sofort den Rhein als Ziel wählte. Doch bevor ihn nicht das Gold der Nibelungen zum reichen Mann und dann zum Heerführer machte, wollte Sigurd den Orientalen nicht in seine Pläne einweihen.
    Nazreh verbrachte viele Abende vor der Nachtruhe damit, in einen Stapel Blätter zu schreiben und zu zeichnen. Tiere wie Pflanzen hielt er penibel fest, und so manche Anekdote seines Begleiters fand Eingang in die Reisechronik. Sigurd konnte sich keinen Grund vorstellen, warum jemand die Erlebnisse des Tages oder eines Gesprächs auf Pergament bannte, aber Nazreh lächelte immer milde, wenn er danach fragte. »Jede Dummheit, die wir begehen, mag der nächsten Generation Warnung sein, und jedes Wunder ein Wegweiser.«
    Mit Handlangertaten verdienten sie sich Mahlzeiten und Unterkunft, wenn es zu kalt wurde, um am Wegesrand den Rücken zur Nacht an einen Baum zu lehnen. In den Tavernen ließen sie sich erzählen von den Höfen, meistens Tratsch aus zweiter und dritter Hand. Vom reichen Leben unter dem Frankenkönig hörten sie ebenso wie vom feigen Dagfinn, der Island dem Wulfgar überlassen hatte. So mancher Söldner prahlte mit den Köpfen der Isländer, die er eigenhändig abgeschlagen habe, und immer wieder griff Nazreh Sigurd beim Arm, um auf ein törichtes Gerede keine Schlägerei folgen zu lassen. Der Araber war zu weit herumgekommen, um aus den Reaktionen des hitzköpfigen Blonden nicht die rechten Schlüsse zu ziehen. Das Wappen Islands mochte nicht sein Hemd zieren – seine Seele trug es mit unvorsichtigem Stolz.
    Mit den Reichen und Städten wechselten die Dialekte, und immer wieder musste sich Sigurd mühen, Wirte oder Bauern zu verstehen. Es kam vor, dass die Worte für ein Ding von einem Dorf zum andern sich unterschieden und der Zungenschlag von der Kehle in den Gaumen wechselte. Das Latein der Römer war kaum noch zu hören, und man spürte, dass die Sprachen in den Reichen auseinandertrieben. Nazreh spottete, dass es kaum drei Generationen dauern würde, bis sich Franken und Dänen, Sachsen und Goten gar nicht mehr verstanden.
    Auch die Küche wechselte. Die Franken labten sich weniger am Spieß und mehr aus dem Topf. Fette Würste ersetzten so manche Haxe, und gekochter Kohl machte satt, aber nicht müde. Kräuter und eingelegte Wurzeln verwandelten fade Suppen in wohlschmeckende Brühen.
    Mehr zum Zeitvertreib begannen Nazreh und Sigurd, auf den langen Märschen zwischen den Dörfern mit Messern und Schwertern zu trainieren. Hätte jeder Beobachter ohne Zögern auf den jungen und starken Nordländer gesetzt, wäre er schlecht beraten gewesen – trotz seines Alters und der schmächtigen Gestalt war Nazreh kaum zu besiegen. Mit katzenhafter Eleganz tauchte er unter den Attacken ab, fand Sigurds Stoßarm, drehte die Kraft darin zum Boden ab, wirbelte den Prinzen herum, auf dass dieser sich taumelnd im Dreck wiederfand. Oft genug benutzte Nazreh nicht einmal eine Waffe, sondern demütigte den Heißsporn in seiner Obhut mit erschreckender Leichtigkeit. Ein ums andere Mal fragte sich Sigurd, ob sein Gegenüber auf geheime Kräfte zurückzugreifen wusste – was Nazreh immer wieder verneinte. »Die Kräfte des Körpers einzusetzen ist allemal lohnender als sich auf eine Klinge zu verlassen. Wer zu sehr auf das Schwert zählt, verliert das Vertrauen in die eigene Faust.«
    Je genauer Sigurd seinen Freund beobachtete, um von ihm zu lernen, desto mehr fielen ihm die schwarzen Stellen auf – die Zeiten, aus denen der sonst so gesprächige Nazreh nie erzählte, die Fertigkeiten, deren Erlangung er nicht erklären wollte. Einen römischen Seidenhändler, dem sie begegneten, fertigte Nazreh mit scharfem Blick und düsteren Worten ab in einer Sprache, die Sigurd nicht einmal ansatzweise verstand.
    So war es, trotz der aufregenden Erlebnisse und neuen Erfahrungen, keine fröhliche Reise, sondern ein Marsch mit klarem, gefährlichem Ziel.

    In den Wäldern, die sich südwestlich von Xanten über eine lange Bergkette in den Kontinent erstreckten, schliefen Sigurd und Nazreh abwechselnd, um den Raubtieren, deren Gejaule und Gebrüll von den Hängen hallte, nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Zu ihrer Überraschung waren es zuerst jedoch in Leder und Leinen gehüllte Waldbewohner, die ihnen in

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