Die Rache Der Nibelungen
aus der Burg, schenk ihren verdorbenen Leib dem niedersten Untertan, den du finden kannst. Doch lasse sie am Leben – als mahnendes Zeichen für jene, die ähnliche Gedanken hegen.«
Wulfgar spuckte aus, und nur ein Zucken des Mundwinkels verriet, dass er immer noch große Schmerzen hatte. Reste des Gifts mühten sich, seinen Körper weiter in die Knie zu zwingen. »Ihr ausgemergelter Leib auf einem Spieß wird den gleichen Dienst erweisen.«
Er machte einen Schritt auf die Hofdame zu, und in ihrer Not fand Hede keinen Ausweg mehr: »Es war ... es war ...«
»Es war was?«, bellte Wulfgar, mit der rechten Hand das Gesicht seines Opfers quetschend. »Hast du noch was zu sagen?«
Xandrias Herz setzte aus, als Hede mit einem letzten Blick um ihre Verzeihung bat. »Es war ... die Prinzess ...«
Wulfgar war zu sehr König, um seine Tochter dem Verdacht des Hofes auszusetzen, und mit einem schnellen Ruck brach er der Hofdame das Genick, bevor sie die Anschuldigung vollends aussprechen konnte. Als er den schmalen Kopf losließ, sackte der Körper daran leblos in den schmutzigen Schnee.
Xandria biss auf ihre Faust und schloss die Augen. Hede war das Nächste gewesen, was sie je an einer Mutter gehabt hatte. Und im Verrat des letzten Augenblicks konnte ihr keine Schuld zugewiesen werden.
»Werft den Leib den Hunden vor«, befahl Wulfgar und drehte sich zu seiner Tochter. Er sprach leise, sodass nur Xandria ihn hören konnte. »Was meinst du, was sie noch sagen wollte?«
Die Prinzessin mühte sich um Fassung. »Es ... es war sicherlich der verzweifelte Versuch, das eigene Leben zu retten. Wer könnte es ihr verdenken?«
Wulfgar beugte sich so weit vor, dass seine Lippen das Ohr seiner Tochter berührten. »Ich habe heute eine Hofdame geopfert – um eine Prinzessin zu retten. Beim nächsten Mal trete ich deinen Leib so sehr in den Boden, dass man ihn zwischen den Steinritzen herauskratzen muss.«
Er schob sie zur Seite und ging ohne ein weiteres Wort in die Burg zurück.
Xandria sah, wie zwei Wachen die tote Hede am Fuß packten und zum Tor schleiften.
»Island!«
, schrie es vom Ausguck des prächtigen Kriegsschiffes, und Sigurd eilte mit Gelen und Jon zum Bug.
Tatsächlich – die Insel war am Horizont zu sehen, und sie schien in der Frühlingssonne förmlich zu glühen.
Hinter sich die siegreiche Flotte, vor sich die Heimat – die Rückkehr hätte kaum glorreicher sein können.
Jon legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Mein König – das wird ein Fest, wenn Euer Vater sieht, was wir ihm aus Xanten mitgebracht haben.«
»König«, lachte Sigurd. »Es wird dauern, bis ich mich daran gewöhne.«
Dabei trug er die goldene Krone Xantens rechtens auf dem Haupt, und seine Schultern zierte der feine Königsmantel mit dem Wolfswappen.
Jon hatte recht – die Beute war beträchtlich, denn Xanten hatte sich als kleines, aber reiches Land entpuppt, dem die Schätze mit Leichtigkeit zu entreißen gewesen waren. Aus vielen Kammern hatten sie Gold und Juwelen geräumt, und die schönen Xantener Frauen hatten die Soldaten Islands mit offenen Armen empfangen.
Die Schlacht hingegen, Strafe für Wulfgars unbotmäßigen Versuch, sich Island untertan zu machen, war so blutig wie ruhmreich gewesen. Sigurd selbst war es vergönnt gewesen, dem Xantener König im fairen Zweikampf die Klinge in die Brust zu stoßen, und er hatte den Thron nicht nur mit dem Recht seines Blutes, sondern auch dem Recht des Siegers eingenommen.
Sigurd, König von Xanten, Bezwinger von Wulfgar.
Von allen Seiten hatten Boten Glückwünsche überbracht – die Franken respektierten den Triumph ebenso wie der treue Dagfinn, und selbst die Römer zollten Tribut, indem sie einen goldenen Schild dem rechtmäßigen Erben von Xanten schickten. Niemand vermisste Wulfgar, nicht einmal das Volk, das er so lange geknechtet hatte.
»Ich bin gespannt, ob Gunther das Gold mehr freut als die Köpfe der Verräter«, frohlockte Gelen, der sich in der Schlacht als geschickt und umsichtig herausgestellt hatte. Die Häupter der Feinde würden auf Speeren so dicht an dicht Islands Klippen schmücken, dass es einem Schädelzaun glich.
Sigurds Blick blieb auf Island gerichtet. Wie hatte er die Heimat vermisst. Vater, Mutter, Schwester. Xanten war ein prächtiges Reich und würde ihm als Besitz gut stehen, doch sein Herz zog ihn zur Insel.
Aus dem ganzen Land waren die Bürger Islands herbeigekommen, um den Thronfolger zu feiern, der mit einem brillanten
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