Die Rache Der Nibelungen
Seidentuch, und die Nägel ihrer Finger brachen, als sie ihre Fäuste krampfend ballte.
Sie hatte von den Qualen der Hölle gehört, von den ewigen Flammen – aber es entsetzte sie, dass schon der Weg dorthin ein Inferno war.
Die Hitze trieb jedes Wasser aus ihrem Körper, der Schweiß tränkte ihr Kleid, bis es nass und dampfend auf ihrer Haut klebte. Ihre aufgerissenen Augen sahen wenig mehr als Schatten und Schemen, jede Kerze hell wie die Sonnenscheibe.
Dem Stoff im Mund zum Trotz schrie sie, aber wenig mehr als gewürgtes Wimmern ertönte. Ihre blutenden Fäuste trommelten auf die weiche Unterlage, befleckten sie rot und schaurig. Ein besonders starker Krampf warf ihren Oberkörper in die Höhe, sodass sie fast aufrecht auf dem Bett zu sitzen kam.
Und im lodernden Meer aus Flammen, das ihr Gemach gewesen war, stand vor ihr eine Frau.
Schön, groß, von herrischer Art, den muskulösen Körper in schwarzes Leder gehüllt, die bleiche Haut und das schwarze Haar unberührt vom fauchenden Feuer. Ihre dunklen Augen reflektierten weder das tanzende Licht noch den Anblick der sich windenden Prinzessin.
Ein Engel des Todes.
Die Heilige Schrift sprach von ihnen viel.
Xandrias Herz wurde leicht. Jetzt, jetzt würde es bald vorbei sein. Das elende irdische Dasein neigte sich dem Ende zu.
Zwei, drei Schritte machte der schwarze Engel auf die Prinzessin zu, und Xandria wollte die Augen schließen und den Tod respektvoll und würdig empfangen. Doch der Anblick der in Flammen gehüllten Frau war zu ergreifend, um den Blick abzuwenden.
Grob riss der Engel der Prinzessin das Seidentuch aus dem Mund und warf es beiseite. Xandria hob trotz ihrer Schmerzen zu einem Dank an, doch eine schallende Ohrfeige riss ihr das Wort aus dem Mund und den Gedanken aus dem Kopf. Eine kalte Hand stieß sie nach hinten, zurück in die weichen Kissen.
»Das hast du dir fein ausgedacht«, knurrte der Engel, dessen Stimme kehlig und rau war. »Dich davonstehlen, bevor dein Schicksal erfüllt ist.«
Ein düsterer Verdacht keimte in Xandria – was, wenn das nicht der Engel war, der sie holen sollte? Sprach die Heilige Schrift nicht von Dämonen, furchtbaren Wesen der Hölle, die sich am Leid der Menschen labten?
»Wer ... wer bist du?«, krächzte sie, mehr heiße Luft als Worte aus den Lungen spuckend.
»Brunhilde«, sagte der schwarze Engel, als sei damit genug Auskunft gegeben. »Und du wirst tun, wofür du ausersehen bist.«
Xandria keuchte und schüttelte den Kopf. »Ich ... ich bin nicht ausersehen. Und ich will nicht mehr. Nicht in dieser Welt, nicht unter diesem Vater.«
Brunhilde lachte. »Als ob die Götter danach fragten! Was immer ihr Plan sein mag – dein Tod ist für die heutige Nacht nicht vorgesehen.«
Tränen rannen Xandrias Gesicht herunter und verdampften zischend noch auf ihren Wangen, bevor sie die Lippen erreichten. »Es ist ... mein Wille.«
»Nur den Starken ist eigener Wille gegeben – und wer sich feige aus dem Leben stiehlt, kann nicht stark sein«, bellte Brunhilde abschätzig. »Willst du die Götter fordern, dann richte dich nicht selbst – widerstehe ihnen, wenn sie es für dich tun wollen.«
Trotz Schmerz und Glut rasten die Gedanken in Xan-drias Kopf. Um sie herum flimmerte das Gemach, doch ihre Gedanken waren eigentümlich hell. »Dann ... dann gibt es ein Schicksal für mich? Ich werde nicht blass dahinschwinden, bis die Jahre mich gezeichnet haben?«
Brunhilde kam zu ihr aufs Bett gekrochen, wie ein Raubtier auf allen vieren. Xandria wollte zurückweichen, doch ihr Rücken stieß bereits an das geschnitzte Kopfende. Sie konnte Brunhildes Schweiß riechen, salzig und warm.
»Dein Schicksal wartet, kleine Prinzessin«, flüsterte die Fremde, und ihr Atem streichelte Xandria wie eine Feder. »Und glaube mir, dein Schicksal willst du nicht enttäuschen.«
»Was wird es sein?«, flüsterte Xandria, und ihr fiel auf, dass der Schmerz in ihrem Körper einer fiebrigen Erwartung gewichen war. Ihr Herz raste, und ihre Brust hob sich hektisch. Mit der Zunge benetzte sie ihre Lippen, und ein Schauer überkam sie. »Was ist mein Schicksal?«
Brunhilde kam ihr noch näher, und das lange schwarze Haar kitzelte Xandria durch den Stoff ihres Nachtkleids. Sie bog sich ihm entgegen.
»Erst Waise«, schnurrte die Walküre. »Dann Königin ... und Hure.«
Das Wort hatte in diesem Moment keinen ordinären Schrecken, es empörte Xandria nicht wie zu den Zeiten, da die Soldaten es aussprachen. Im Gegenteil –
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