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Die Rache Der Rose

Die Rache Der Rose

Titel: Die Rache Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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erschauerte, als er den Ruinen näher kam, deren Türme aus Ziegeln und Holz in sich zusammengefallen waren und dennoch sogar im Mondlicht ein malerisches und beinahe beruhigendes Aussehen angenommen hatten.
    Er kletterte über die verbrannten Überreste einer Mauer und kam auf eine Straße, die auf Bodenhöhe immer noch einige Ähnlichkeit mit dem hatte, was sie einmal gewesen war. Er roch rußdurchsetzte Luft und spürte, daß der Boden unter seinen Füßen warm war. Hier und dort, in Richtung Stadtmitte, flackerten immer noch einige Feuer wie Lumpenfetzen im Wind, und alles war von Asche bedeckt. Elric spürte, wie diese an seinem Körper klebte. Er spürte, wie sie ihm die Nasenlöcher verstopfte und durch seine Kleidung zog - die Asche seiner entfernten Vorfahren, deren geschwärzte Leichen die Häuser in einer Nachahmung von Leben füllten und ihn zu ersticken drohten. Doch er ging weiter, gebannt von dem Blick in die Vergangenheit - auf den Wendepunkt in der Geschichte seines Volkes. Er sah sich durch Räume wandern, die immer noch von den Hüllen ihrer Bewohner, ihrer Haustiere, ihrer Spielsachen, ihrer Werkzeuge eingenommen wurden; über Plätze, auf denen einst Springbrunnen plätscherten, durch Tempel und öffentliche Gebäude, in denen sich sein Volk traf, um zu debattieren und die Tagesangelegenheiten zu besprechen, bevor die Herrscher alle Macht an sich gerissen hatten und Melnibone damit begonnen hatte, sich von seinen Sklaven abhängig zu machen, die verborgen wurden, auf daß sie Imrryr durch ihre Gegenwart nicht entstellten. In einem Laden, wohl der Werkstatt eines Schusters, hielt er an. Er betrauerte diese Toten, die seit über zehntausend Jahren tot waren.
    Die Ruinen rührten an etwas Zartes in ihm, und er stellte fest, daß in ihm ein frisches Sehnen war, ein Sehnen nach einer Vergangenheit vor Melnibone, ein Sehnen nach einer Vergangenheit, bevor Melnibone aus Furcht um jene Macht schacherte, die die Welt eroberte.
    Die Türmchen und Giebel, die geschwärzten Reetdächer und Balken, die Haufen aus zerbrochenen Steinen, die Tiertränken und zurückgelassenen häuslichen Gebrauchsgegenstände vor den Häusern erfüllten ihn mit einer Schwermut, die er fast als süß empfand, und er hielt an, um eine Wiege oder ein Spinnrad zu betrachten, die eine Seite des stolzen Melniboneervolkes zeigten, die er niemals gekannt hatte, die er jedoch zu verstehen glaubte.
    In seinen Augen standen Tränen, als er diese Straßen durchstreifte und verzweifelt hoffte, eine lebende Seele außer sich selbst zu finden, aber er wußte, daß die Stadt noch mehr als einhundert Jahre nach ihrer Zerstörung unbewohnt geblieben war.
    »Oh, hätte ich doch Imrryr zerstört, damit ich H’hui’shan wieder aufbauen könnte!« Er stand auf einem Platz mit zerborstenen Statuen und umgestürztem Mauerwerk und sah zu dem riesigen Mond auf, der sich jetzt unmittelbar über ihm erhob und seinen Schatten mit dem der Ruinen vermischte; und er zerrte sich den Helm vom Kopf, schüttelte sein langes milchweißes Haar und streckte sehnsüchtige Hände der Stadt entgegen, als ob er um Verzeihung bitten wolle, und dann setzte er sich auf eine staubige Platte, die mit der Kunstfertigkeit und Phantasie eines Genies gemeißelt worden war, über die Blut geflossen und in stumpfem Glanz hart geworden war; und er verbarg die roten Augen im Ärmel seines ascheübersäten Hemdes, seine Schultern bebten, und er stöhnte seine Klage gegen jenes Schicksal hinaus, das ihn zu dieser Prüfung geführt hatte…
    Hinter ihm erklang eine Stimme, die aus fernen Katakomben zu hallen schien, über die Äonen der Zeit hinweg, so tönend wie die Drachenfälle, bei denen einer von Elrics Vorfahren gestorben war (wie man sagte, im Kampf mit sich selbst), und so zwingend wie die Gesamtheit von Elrics langer und verpflichtender königlicher Geschichte. Es war eine Stimme, die er wiedererkannte und in so vielerlei Hinsicht niemals wiederzuhören gehofft hatte.
    Wieder einmal fragte er sich, ob er wahnsinnig sei. Die Stimme war unzweifelhaft die seines toten Vaters, Sadrics des Sechsundachtzigsten, dessen lebende Gesellschaft er so selten geteilt hatte.
    »Ah, Elric, du weinst, wie ich sehe. Du bist deiner Mutter Sohn, und dafür liebe ich dich, wie ich ihr Andenken liebe, obgleich du die einzige Frau tötetest, die ich jemals wahrlich lieben werde, und dafür hasse ich dich mit einem ungerechten Haß.«
    »Vater?« Elric senkte den Arm und wandte das knochenweiße

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