Die Rache Der Rose
nur auf einem einzigen anderen Gegenstand gesehen, dem Schwert Trauerklinge, Sturmbringers Schwesterschwert, das sein Vetter gegen ihn führen wollte. Undeutlich erinnerte er sich auch an andere Geschichten über Runengegenstände, doch mit diesem Gebiet hatte er sich wenig befaßt. Hatten sie bestimmte Eigenschaften gemeinsam?
Prinzessin Tarayatuka hielt den steinernen Zylinder nun in die Höhe und betrachtete die sich windenden Runen, als ob sie sie noch nie gesehen hätte, und ihre Lippen bewegten sich beim Lesen, formten Worte, die ihr zu einer Zeit beigebracht worden waren, bevor sie irgendein gewöhnliches Alphabet zu lesen gelernt hatte. Das war ihr Erbe, diese Rune der Macht…
»Nur drei Jungfrauen, die von derselben Mutter und demselben Vater zur selben Zeit geboren wurden, dürfen das Ritual der Rune kennen«, sagte Shanug’a im Flüsterton. »Aber die Rune kann nicht vollendet werden, bevor wir die Runen des Schwarzen Schwertes gesehen und sie laut im Garten der Rune verlesen haben. Das alles muß gleichzeitig geschehen. Falls wir dann die Rune auf die richtige Art und Weise gesprochen haben, und falls die Magie in den Jahrhunderten, da sie gesammelt wurde, nicht verblaßt ist, dann werden wir vielleicht jene Gegenstände wiedererlangen, mit denen unsere Vorfahren uns in dieses Reich brachten.«
Prinzessin Mishiguya ging zu der Bank, auf der das Höllenschwert beinahe reglos ruhte, und brachte es zu dem Springbrunnen, wo ihre Schwester Shanug’a wartete, während das Wasser über sie floß und mit ihrem seidenen Gewand zu verschmelzen schien, und Shanug’a nahm das Schwert in ihre kleinen Hände und zog so daran, daß die Klinge Zoll um Zoll aus der Scheide glitt, während die bösartigen roten Runen entlang des schwarzen Metalls aufglühten und dem Schwert ein Gesang entstieg, der nichts glich, was Elric je zuvor vernommen hatte. In allen anderen Händen, vielleicht sogar Gaynors, hätte das entblößte Höllenschwert Widerstand geleistet, sich gegen jene gewendet, die es zu führen trachteten, und sie fast sicher getötet. Bedeutende Zauberei war vonnöten, um das Schwarze Schwert auch nur für kurze Zeit führen zu können. Dennoch sang es nun ein so süßes und sonderbares, hohes und unglückliches Lied, das voller Sehnsucht und ungestilltem Hunger war, daß Elric einen Augenblick lang zutiefst erschrocken war. Solcherlei Eigenschaften hatte er nie in dem Schwert vermutet.
Und während Sturmbringer noch seinen sonderbaren und seltsamen Gesang fortsetzte, hob Prinzessin Shanug’a es hoch empor und führte seine Spitze genau in die Mitte der mit seltsamen Reliefs versehenen Schale, so daß der Springbrunnen plötzlich verstummte und im gleichen Augenblick Schweigen im Rosengarten herrschte.
Stille kam aus dem Himmel über ihnen, als ob das dunkelblaue Licht erstarrte; Stille im Garten, als ob jede Blume und jede Blüte wartete; Stille in jenem dreieckigen Ruheplatz, als ob die Steine selbst sich auf ein außerordentliches Ereignis vorbereiteten.
Sogar die drei Schwestern schienen in der Haltung ihres Rituals wie erstarrt zu sein.
Elric sah diese Szene mit Ehrfurcht, und es kam ihm in den Sinn, sich zu entfernen, als sei seine Anwesenheit hier nicht erforderlich, doch Prinzessin Tayaratuka wandte sich ihm lächelnd zu - und hielt ihm den Runenstein hin, der auf ihrer Handfläche glühte und waberte.
»Den müßt Ihr verlesen«, sagte sie. »Von allen Geschöpfen im Multiversum habt nur Ihr die Macht dazu. Deswegen suchten wir so eifrig nach Euch. Ihr müßt unsere Rune lesen - während wir die des Schwarzen Schwertes lesen. So werden wir das Wirken dieser mächtigen Magie beginnen. Dazu sind wir fast seit unserer Geburt ausgebildet worden. Ihr müßt uns glauben und uns vertrauen, Prinz Elric.«
»Ich habe den Bluteid geschworen«, sagte Elric nur. Er würde tun, was auch immer sie von ihm verlangten, selbst wenn es seinen Tod, die Versklavung seiner unsterblichen Seele, die Aussicht auf eine Ewigkeit in der Hölle bedeutete. Er würde ihnen vorbehaltlos vertrauen.
Aufrecht stand die ungeheure Schlachtenklinge in der Schale, immer noch entströmte ihr das Lied, immer noch spielten die Runen über das schimmernde schwarze Metall. Es schien fast, als ob sie zu sprechen beginnen wollte, vielleicht eine andere Gestalt annehmen wollte, möglicherweise ihre wahre Gestalt. Und Elric fühlte in seiner Seele einen kalten Hauch, und eine Sekunde lang kam es ihm so vor, als ob er in seine eigene
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