Die Rache Der Rose
zuletzt gesehen habe - an jenem Morgen auf der Zigeunerbrücke…«
»Und Eure Familie?«
Sie strich über kastanienbraune Locken, die auf die Rüschen und die Seide ihrer Bluse fielen. Eine Sekunde lang verbargen die Lider ihre Augen. »Sie, Herr? Nun, ich habe mich ihretwegen mit Prinz Gaynor verbündet. Wir suchen sie und haben sie seit jener großen Zerstörung gesucht.«
Und sie erklärte kurz, wie Gaynor sie in einem fernen Reich als Hexe eingekerkert gefunden und ihr gesagt hatte, daß auch er ihren Vater und ihre Großmutter suche, da nur sie allein, wie er glaubte, mit einiger Sicherheit die Pfade zwischen den Dimensionen beschreiten und ihn zu den drei Schwestern führen könnten.
»Seid Ihr sicher, daß sie überlebt haben?« fragte Wheldrake sanft.
»Zumindest Vater und Großmama«, sagte sie, »dessen bin ich mir sicher. Und ich glaube, der kleine Koropith ist weiter fort - oder vielleicht auch vor mir verborgen. Ich nehme an, daß irgend etwas von ihm irgendwo weiterexistiert…« Dann verabschiedete sie sich von ihnen und ging weiter in die Stadt - wie sie sagte, um sich ein paar Kleinigkeiten zu kaufen.
»Ich bin wahrlich, wahrlich verliebt«, vertraute Wheldrake seinem Freund an, der sich mit der Feststellung zurückhielt, daß es eine gewisse Unstimmigkeit bezüglich ihrer Lebensjahre gäbe. Wheldrake näherte sich dem fünfzigsten Lebensjahr, wie er schätzte, und die junge Frau war nicht viel älter als achtzehn.
»Dergleichen bedeutet nichts, wenn zwei Herzen in Harmonie vereint schlagen«, sagte Wheldrake hingerissen, und es war nicht ganz klar, ob er sich selbst oder einen geschätzten Kollegen zitierte.
Elric verfiel in Schweigen, beachtete die Ergüsse seines Freundes nicht weiter und dachte über die Eigenarten des Multiversums, dieser Umgebung nach, die er als Zauberer bislang nur in symbolischen Begriffen verstanden hatte.
Er dachte über das Symbol des Gleichgewichts nach, jenes Equilibriums, das früher alle Philosophen zu erlangen trachteten, bis sie aus Bequemlichkeit oder wegen Bedrohungen ihres Lebens oder ihrer Seelen Abmachungen trafen, einige mit der Ordnung, die meisten jedoch mit dem Chaos, das als Element der Natur der meisten Zauberer näher steht. Und so stellten sie sicher, daß sie niemals das Ziel erreichten, das sie anstrebten; für das einige von ihnen geboren waren; das einigen von ihnen vom Geschick vorherbestimmt war. Die letztgenannten waren diejenigen, die die große Verdorbenheit, die stattgefunden hatte, verstanden, die all das verstanden, was sie aufgegeben hatten.
Gaynor, ehemaliger Prinz des Universellen, verstand das besser als jeder andere, denn er hatte die Vollkommenheit erfahren und sie verloren.
In dem Augenblick, als er die Tür zu einer gewöhnlichen Gaststätte hinter sich schloß, erkannte Elric, daß sein Schrecken sich in etwas anderes, eine Art Entschlossenheit, verwandelt hatte. Eine Art kalten Wahnsinns. Er spielte nicht nur um das Schicksal der eigenen Seele, auch nicht bloß um die seines Vaters - sondern um weit mehr. Anstatt weiter durch Ereignisse verblüfft, von ihnen beherrscht zu werden, beschloß er, an dem Spiel zwischen den Göttern teilzunehmen und es zur Gänze auszuspielen, es für sich und seine sterblichen Freunde zu spielen, für die wenigen Geschöpfe, die er noch liebt - für Tanelorn. Dies war kaum mehr als ein Versprechen, das er sich gab, kaum deutlich formuliert - aber es sollte die Grundlage für seine zukünftigen Handlungen werden, diese Weigerung, die Tyrannei des Schicksals hinzunehmen, sein Geschick durch die geringste Willkür einer halbtierischen Gottheit bestimmen zu lassen, deren einziges Recht in der überlegenen Macht begründet lag, die ihr zu eigen war. Es war dies eine Realität, die sein Vater akzeptiert hatte, als er noch das Spiel spielte, feinfühlig und sorgsam mit dem eigenen Leben und der eigenen Seele als Haupteinsatz umgehend - allerdings eine Realität, die Elric zu leugnen begann…
Auch fand sich in ihm nun eine andere Art Kälte, die Kälte der Wut auf jede Kreatur, die gelassen so viele der eigenen Art dahinmetzeln konnte. Diese Wut richtete sich nicht nur gegen Gaynor, sondern auch gegen ihn selbst. Vielleicht fürchtete er deshalb Gaynor so sehr, denn sie waren beinahe ein und dasselbe Geschöpf. Wenn man einigen Gedankenrichtungen Glauben schenken durfte, dann hätten sie in der Tat Aspekte eines einzigen Geschöpfes sein können. Vergrabene Erinnerungen regten sich in ihm, waren
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