Die Rache Der Wache
stück im voraus.«
»Ist das Bad Inbegriffen?« fragte Quartz.
»Ja, ja, in Ordnung.«
»Wir können zahlen«, sagte Quartz, die für die Geldmittel verantwortlich war. Sie hielt ihm ein Silberstück entgegen. Der Wirt sah weiterhin Chan an, aber nach einer Weile griff er nach der Münze in Quartz' Hand und wandte sich ab. Quartz wischte sich verstohlen die Hand unter dem Tisch an ihren schweren baumwollenen Beinkleidern ab.
Chan wandte sich an Wess. »Verstehst du, was sich abgespielt hat, seit wir durch die Stadttore gekommen sind?«
»Es ist seltsam«, erwiderte sie. »Sie haben hier merkwürdige Sitten.«
»Darüber können wir uns morgen Gedanken machen«, mischte sich Aerie ein.
Eine junge Frau, die ein Tablett trug, kam an ihren Tisch. Sie trug merkwürdige Kleidung, Sommerkleider, wie es schien, denn Arme, Schultern und Brüste waren fast unbedeckt. Es ist heiß hier, dachte Wess. Sie ist sehr vernünftig; wenn sie nach Hause geht, braucht sie nur einen Mantel überzuziehen, so wird sie nicht frieren, und hier schwitzt sie nicht.
»Bier für Euch, Herr?« sagte die junge Frau zu Chan. »Oder Wein? Und Wein für Eure Ehefrauen?«
»Bier, bitte«, verlangte Chan. »Was sind Ehefrauen? Ich habe mich zwar mit Eurer Sprache befaßt, aber dieses Wort ist mir neu.«
»Die Damen sind nicht Eure Ehefrauen?«
Wess nahm einen Bierkrug vom Tablett, sie war zu müde, um sich Gedanken zu machen, worüber die Frau sprach. Sie nahm einen tiefen Schluck von dem kühlen bitteren Gebräu. Quartz griff nach der Weinflasche und goß sich und Aerie ein.
»Meine Gefährten sind Westerly, Aerie und Quartz«, sagte Chan und blickte auf seine jeweilige Begleiterin. »Ich bin Chandler. Und Ihr seid ...?«
»Ich bin nur das Schankmädchen«, sagte sie hastig, sie wirkte erschrocken. »Ihr solltet Euch über meinen Namen keine Gedanken machen.« Hastig griff sie nach dem Bierkrug auf dem Tablett, verschüttete etwas und flüchtete.
Sie blickten sich verwundert an, aber da erschien bereits der Wirt mit dem Fleisch. Sie waren zu hungrig, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, womit sie das Schankmädchen so erschreckt hatten.
Wess biß herzhaft in ihr Fleisch, es war leidlich frisch, eine willkommene Abwechslung zu der Nahrung, die sie unterwegs zu sich genommen hatten — getrocknetes Fleisch, hastig auf Steinen im Lagerfeuer gebackene Brotfladen, und Früchte, die sie unterwegs fanden oder kauften. Trotzdem war Wess Besseres gewöhnt.
»Ich vermisse dein Brot«, sagte sie zu Quartz in ihrer eigenen Sprache. Quartz lächelte.
Das Fleisch war heiß und nicht verdorben. Sogar Aerie aß mit etwas Appetit, obwohl sie ihr Fleisch lieber roh verzehrte.
Während des Essens nutzte Wess die Gelegenheit und betrachtete die Schenke etwas genauer.
Eine Gruppe Zecher am Schanktisch brach plötzlich in rauhes Gelächter aus.
»Jedes verdammte Mal, wenn du in Freistatt auftauchst, sagst du verdammt noch mal dasselbe«, höhnte einer der Gruppe lautstark. »Weißt du ein Geheimnis oder ein Wunder, das dich reich macht? Warum gehst du nicht einer ehrbaren Arbeit nach — wie wir alle?«
Diese Worte lösten erneut lautstarke Heiterkeit aus, sogar der kräftig gebaute junge Mann, der Ziel des derben Spaßes war, stimmte in das Gelächter mit ein.
»Du wirst schon sehen«, sagte er. »Diesmal führt mich mein Weg direkt vor den Thron des Kaisers. Wenn ihr morgen die Ausrufer hört, werdet ihr es wissen.« Er ließ mehr Wein kommen. Seine Freunde tranken und machten Spaße, beides auf seine Kosten.
Das Einhorn war jetzt wesentlich voller, verqualmter und lauter. Gelegentlich warf jemand einen Blick auf Wess und ihre Begleiter, aber man ließ sie in Ruhe.
Ein kalter Luftzug vermischte sich mit dem Geruch von Bier, brutzelndem Fleisch und ungewaschenen Körpern. Es wurde plötzlich still in der Schenke. Wess blickte sich rasch um, ob sie nicht, ohne es zu wissen, gegen einen weiteren Brauch verstoßen hatten. Aber die allgemeine Aufmerksamkeit galt dem Eingang der Schenke. Eine Gestalt mit langem Umhang stand lässig in der Tür. Von ihr ging eine Ausstrahlung von Macht und Selbstsicherheit aus, über die die lässige Haltung nicht hinwegtäuschen konnte.
In der ganzen Schenke gab es keinen anderen Tisch, an dem noch ein Platz frei gewesen wäre.
»Setzt Euch zu uns, Schwester!« bot Wess an.
Zwei Herzschläge später fühlte sich Wess mitsamt ihrem Stuhl gegen die Wand gedrückt, und ein Dolch saß an ihrer Kehle.
»Wer nennt
Weitere Kostenlose Bücher