Die Rache Der Wanderhure
abwehren können und bestrafen jede Grenzverletzung aufs härteste. Ich schätze, den Hussiten wird bald die Lust vergehen, sich weiterhin bei uns blutige Köpfe zu holen. Es gibt genug andere Ziele, denen sie sich zuwenden können.«
Michels Stimme klang hart, denn die Männer, die dieses Land bedrohten, gefährdeten seine Zukunft, und er war bereit, mit jeder Faser seines Seins für den Erhalt von Sokolny zu kämpfen.
»Der Němec macht keine Gefangenen mehr«, warf Marat ein und grinste breit. »Ich übrigens auch nicht. Wer gegen Sokolny marschiert, muss wissen, was ihm droht. Da bei uns nicht viel Beute zu holen ist, wird es Vyszo bald ebenso schwerfallen wie Sigismund, seine Truppen zum Angriff zu bewegen.«
Michel nickte. »Die Deutschen gehen uns weiträumig aus dem Weg, so sehr fürchten sie uns. Hätten sie eine Möglichkeit, diese Burg und das umliegende Land durch einen Zauber in ein fernes Land zu versetzen, so würden sie es tun, denn wir blockieren ihren Handelsweg nach Osten. Wer dorthin will, muss einen Umweg von vielen Meilen in Kauf nehmen.«
»Das gilt auch für Vyszos Krieger, die nach Westen streben«, stimmte Marat ihm zu. »Wir sind praktisch ein Riegel, der die beiden Mächte trennt. Solange wir stark sind, müssen beide uns fürchten! Bisher schickt der Feind nur kleine Streifscharen gegen uns, um Lücken in unserer Verteidigung zu finden, aber der Němec und ich haben bisher jeden Angreifer in Schach gehalten.«
Sokolny nickte anerkennend, denn er wusste, dass ihm die Verteidigung seines Besitzes ohne Marat und den Deutschen weitaus schwerer gefallen wäre. Dann aber wiegte er zweifelnd den Kopf. »Fürst Vyszo wird nicht einfach den Schwanz zwischen die Beine klemmen und wie ein geprügelter Hund abziehen. Dafür kenne ich ihn zu gut. Bevor er aufgibt, wird er zum Sturmangriff auf unsere Burg blasen lassen.«
»… und dabei herbe Verluste erleiden und abziehen müssen«, erklärte Michel mit einer Stimme, die deutlich machte, dass er eher sterben würde, als zuzulassen, dass ein Hussit die Mauern der Burg Sokolny erklomm.
Der Graf spürte die Entschlossenheit des Deutschen und dankte dem Schicksal, das diesen Mann in sein Land gebracht hatte. Mit ihm an der Spitze wäre es den Truppen des Königs höchstwahrscheinlich gelungen, seine Burg zu umschließen und einzunehmen. Davor hätte ihn auch ein Bündnis mit Fürst Vyszo nicht bewahren können.
»Gleichgültig, wie es ausgeht, es werden viele Männer sterben«, sagte er bedrückt.
Michel nickte. »Das ist richtig. Dennoch werden wir kämpfen, um unsere Freiheit zu bewahren. Sie ist unser höchstes Gut!«
»Wir kämpfen, weil uns das Schicksal an diesem Ort zusammengeführt hat, damit wir gemeinsam unsere Schwerter ziehen und dieses Land gegen seine Feinde verteidigen!« Für Marat gab es keine Zweifel. Er war hier, um zu kämpfen, weil er die Geister seiner Ahnen zufriedenstellen musste.
»Mein Vater war ein Krieger, dessen Vater ebenfalls und auch der Großvater«, fuhr er fort. »Meine Ahnen sind im Heer des Dschingis Khan geritten, mit Batu Khans Scharen und denen anderer Khane der Großen Horde. Ich will, dass der Westwind meine Taten in die Steppe trägt und das Gras dort von ihnen singt. Ich bin Marat, Sohn des Marqil und Enkel des Mardur. Mein Schwert ist scharf und mein Arm stark. Erst wenn der ewige Himmel es will, werde ich einem Feind unterliegen. Bis dorthin wird mein Bogen seine tödlichen Pfeile versenden, und ich werde mein Schwert in das Blut der Feinde tauchen!«
Für ein paar Augenblicke gab Marat seinen Zuhörern einen Einblick in seine Seele und verriet seinen Wunsch, dass die Kunde von seinen Taten in die Steppe seiner Ahnen gelangen sollte, auch wenn er selbst niemals dorthin zurückkehren würde.
Sokolny war klar, dass er sich sowohl auf seinen Waffenmeister als auch auf den Deutschen verlassen konnte wie auf sich selbst, und streckte den beiden erfreut die Hände entgegen. »Ich danke Euch! Ihr seid Männer aus der Fremde und mir doch treuer zugetan als jene Freunde, die mit mir aufgewachsen sind und stets an meiner Seite waren.«
Ein Gefühl der Rührung ließ ihn für einen Augenblick verstummen, dann aber atmete er tief durch und sah Michel an. »Wer seid Ihr wirklich, Němec? Warum seid Ihr bereit, für fremde Menschen und ein fremdes Land Euer Leben zu geben?«
»Ich bin ein Mann, der eine Heimat sucht, mein Herr. Ohne Heimat bin ich wie ein Blatt im Wind, das einmal hierhin und dann wieder
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