Die Rache Der Wanderhure
sie schön wie ein Sommertag und stolz wie ein kreisender Adler in der Luft. Auf jeden Fall würde sie in seinem weiteren Leben eine Rolle spielen, und er hoffte, dass es eine gute Rolle war.
Auch Marie hing ihren Gedanken nach. Sie war froh, Michel wiedergefunden zu haben, begriff aber immer noch nicht, wieso er sich nicht mehr an sie erinnern konnte und auch nicht an all das, was zwischen ihnen geschehen war. Selbst seine Liebe zu ihr hatte er vergessen, und das schmerzte so sehr, dass sie sich am liebsten in eine dunkle Ecke verkrochen hätte, um zu weinen.
Sie wusste jedoch, dass sie sich nicht von ihren verletzten Gefühlen leiten lassen durfte. Es ging um weit mehr als nur um sie und Michel. Da war Trudi, die ihre Eltern brauchte. Auch hatten Isabelle de Melancourt und König Sigismund Hoffnungen in sie gesetzt, die sie nicht enttäuschen durfte, wollte sie jemals wieder in Ruhe und Frieden leben. Ebenso wenig durfte sie Ruppertus vergessen, ihren ebenso unheimlichen wie grausamen Feind, und seinen Spießgesellen Hettenheim.
Daher nickte sie Michel auffordernd zu. »Also gut. Reiten wir zuerst zu Fürst Vyszo und dann zum König!«
4.
I n Vyszos Feldlager herrschte eine angespannte Stimmung. Die Vorbereitungen für den Großangriff auf Burg Sokolny waren fast abgeschlossen, und die Männer erwarteten spätestens am nächsten Tag den Befehl, vorzurücken und die Festung zu umschließen. Der Fürst hingegen starrte immer wieder zu dem Hügel hinüber, den die grauen Mauern von Sokolny krönten.
Schließlich hielt Jakub, der Patrouillenführer, es nicht mehr aus. Seine Pfeilwunde hatte sich als harmloser herausgestellt, als er befürchtet hatte. Aber seine Scham, erneut vor dem Němec geflohen zu sein, überwog die Schmerzen.
»Wir sollten nicht länger warten, mein Fürst. Es wäre Wahnsinn, sich allein auf den guten Willen und die Möglichkeiten eines schwachen Weibes zu verlassen. Graf Sokolny wird die Frau nicht einmal anhören. Daher rate ich Euch, lasst uns angreifen und die Burg erstürmen. Die Handbüchsen, mit denen Sokolnys Männer hoffen, uns abwehren zu können, sind unbrauchbar, und so wird es eine üble Überraschung für diese Leute werden, wenn sie versuchen, die Waffen gegen uns einzusetzen.«
Vyszo wiegte den Kopf. »Auch wenn Sokolnys Handrohre nicht funktionieren, werden wir zahlreiche Männer bei der Erstürmung der Burg verlieren, vielleicht sogar so viele, dass Sigismund glaubt, mit uns fertig werden zu können. Dann müssten wir uns zurückziehen und uns dem Kommando taboritischer Anführer unterstellen. Du weißt, was das bedeutet!«
»Einige der radikalen Führer fordern heute schon Euren Kopf – und dann würden es noch mehr tun.« Für einen Augenblick verspürte auch Jakub Zweifel, schob diese aber mit einer geringschätzigen Handbewegung beiseite.
»Ich rate trotzdem zum Angriff. Nehmt die Frau gefangen und liefert sie dem Inquisitor aus, und zwar zu Euren Bedingungen.«
»Und die wären?«, fragte Vyszo verkniffen.
»Die Lieferung von genügend schussfähigen Handbüchsen und einen Waffenstillstand mit Sigismund. Damit könnten wir uns in dieser Gegend festsetzen und uns sowohl gegen die Taboriten wie auch gegen den König selbst behaupten. Macht Sokolny zu Eurer Residenz! Die Festung ist der Schlüssel zu Böhmen.«
»Den in die Hand zu bekommen dürfte uns verdammt schwerfallen!« Vyszo rieb sich über die Augen und spähte noch einmal zur Burg hinüber. »Ihre Mauern sind fest, und die Männer, die sie verteidigen, werden nicht zurückweichen.«
Jakub verstand die Besorgnis seines Anführers, doch die Schmerzen in seinem Bein ließen ihn ungeduldig werden. Daher maß er den Problemen weniger Gewicht bei als Fürst Vyszo. Er wollte erneut darauf dringen, die Burg anzugreifen, doch da platzte ein Soldat ins Zelt.
»Herr, unsere Späher melden zwei Reiter, die aus Richtung Sokolny auf uns zukommen.«
»Sie wollen also doch verhandeln!« Erleichtert stand Vyszo auf. »Wir werden ihnen entgegenreiten. Vielleicht gibt es einen Ausweg aus dieser Lage.«
»Aber nur, wenn Graf Sokolny sich mit uns gegen Sigismund verbündet«, knurrte Jakub und schrumpfte sichtlich zusammen, als ihn Vyszos strafender Blick traf. Trotzig folgte er dem Fürsten nach draußen und stieg mit zusammengebissenen Zähnen in den Sattel, obwohl ihm die Schmerzen durch den ganzen Körper schossen. Da sich die Entscheidung näherte, wollte er dabei sein, um seinen Herrn beraten zu können.
Auch
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