Die Rache Der Wanderhure
Vyszo schwang sich auf sein Pferd und verließ das Lager. Schon nach wenigen hundert Schritten tauchten sie in einen dichten Nebel ein, der sich über das Flusstal gelegt hatte. Burg Sokolny war nicht mehr zu erkennen und hätte ebenso gut zweihundert Meilen wie zwei Meilen entfernt sein können. Zudem schien jeder Laut verschluckt zu werden. Selbst der Hufschlag der eigenen Pferde war kaum zu vernehmen. Obwohl Vyszo wusste, dass seine Leibwache in der Nähe war, überkam ihn ein ungutes Gefühl. Was war, wenn Sokolny ein falsches Spiel mit ihm trieb und ihm einen Meuchelmörder schickte? Am liebsten hätte er Befehl gegeben, zum Lager zurückzureiten, um die beiden Reiter dort zu empfangen. Danach aber hätte er sie nicht mehr fortlassen dürfen. Eine Frau wie Marie von Hohenstein verstand nichts vom Krieg und konnte daher nicht sagen, wie gut sein Heer für einen Sturm auf die Burg gerüstet war. Marat, der Němec oder ein anderer aus Sokolnys Gefolge würden jedoch ihre Schlüsse aus dem Gesehenen ziehen können.
Vyszo versuchte, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, und trieb sein zögerndes Pferd an. Kurz darauf sah er zwei Reiter aus dem Nebel auftauchen. Der eine war der Němec, jener Mann, den seine Leute in den letzten Wochen fürchten gelernt hatten, die andere Person jene Frau, für die der Inquisitor des Papstes zum Verräter und Mörder geworden war. Da der Fürst spürte, dass Jakub den Mann am liebsten von den Leibwachen hätte töten und die Frau gefangen nehmen lassen, streckte er den linken Arm nach seinem Getreuen aus und bedachte ihn mit einem warnenden Blick.
»Was auch immer geschieht, Jakub: Hier entscheide ich!«
Der Patrouillenführer nickte widerwillig und betrachtete seinerseits das Paar, das seine Pferde nun wenige Schritte vor ihnen anhielt. Nun sah er keine als Bursche verkleidete Frau vor sich, sondern eine Dame in einem kostbaren Gewand, die auf einem passenden Sattel thronte und auf seltsame Weise ebenso starr wie erhaben wirkte. Bei ihrem Anblick glaubte er zu begreifen, weshalb ein Mann wie Janus Suppertur dieses Weib begehrte.
Den Němec aber musterte er misstrauisch. In seinen Augen war dieser Mann gefährlicher als ein Pulverfass mit entzündeter Lunte. Daher hielt er es für besser, mehrere Pferdelängen zwischen seinem Fürsten und dem Deutschen zu lassen.
Marie sah die Hussiten an und spürte, dass Michel angespannt war wie eine Bogensehne. »Was ist mit dir?«
»Wenn es schiefgeht, habe ich ein gutes Dutzend Pfeile in meinem Köcher. Es wird zwar nicht ganz reichen, aber ich habe auch noch mein Schwert«, antwortete Michel im Bestreben, ironisch zu klingen.
Da in dem Moment ein Windstoß den Nebel vertrieb, entdeckte Marie nun auch die Krieger in Vyszos Begleitung. Es handelte sich nicht nur um die Leibwache des Fürsten, sondern um mehrere hundert Mann, die alle erfahren wollten, was hier besprochen wurde. Scheiterten Michel und sie an dieser Stelle, würden ihnen weder Pfeile noch ein Schwert helfen, dachte Marie und richtete ihr Augenmerk auf Fürst Vyszo.
»Graf Sokolny lässt Euch sagen …«, begann sie.
Gleichzeitig sprach auch Michel. »Graf Sokolny ist bereit …«
Beide brachen ab und blickten sich an. Michel machte eine Geste, dass sie reden sollte.
Vyszo verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. »Was lässt Václav Sokolny mir sagen?«
»Der Graf will den Frieden und gelobt im Gegenzug seine Neutralität gegen jedermann!«, erklärte Marie mit fester Stimme.
»Sokolny winselt also um Frieden!«, rief Jakub mit einem spöttischen Lachen. »Er hat anscheinend gemerkt, dass er keine Aussichten mehr hat, sich länger gegen uns zu behaupten. Warum also sollten wir uns mit seiner Neutralität zufriedengeben?«
»Weil es alles ist, was Ihr bekommen könnt!« Michel lächelte, doch seine Miene wirkte nicht gerade freundlich.
»Wir können jederzeit die Burg stürmen! Wir …« Auf ein Handzeichen Vyszos verstummte Jakub und funkelte Michel wütend an.
Dieser setzte sich gemütlich im Sattel zurecht und fragte: »Was macht Euch eigentlich so siegessicher? Wir besitzen neue Waffen, mit denen wir Euer Heer jederzeit zurückschlagen können.«
»Diese Waffen werden Euch nicht gegen uns helfen!«, ergriff jetzt Fürst Vyszo das Wort. »Mit denen könnt Ihr nicht schießen! Der Inquisitor des Papstes hat veranlasst, sie unbrauchbar zu machen. So sieht die Loyalität der Kirche aus, für die Ihr kämpft.«
Marie wollte etwas darauf
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