Die Rache Der Wanderhure
Schicksals fühlte.
Marie antwortete mit einem traurigen Lächeln. »Ich selbst kenne die Weisheit einer Äbtissin und die eines Gauklers. Auch weiß ich …«, ihre Stimme schwankte und wurde ein wenig heiser, »… von der Sehnsucht nach der Heimat zu berichten sowie von einer Liebe, die einmal groß war und nun verloren ist.«
Marat hatte die beiden bislang scharf beobachtet und senkte bei dem Gedanken an das tragische Schicksal dieses Paares den Kopf. Für einen Augenblick erwog er, einzugreifen und Michel, der ihm ein treuer Freund geworden war, den Kopf zurechtzusetzen. Aber er wollte erst dessen Entgegnung abwarten.
»Was sprichst du von Heimat? Der Boden einer jeden Heimat ist mit Blut getränkt und muss mit dem Schwert verteidigt werden.«
Mit einem milden Lächeln legte Sokolny Michel die Hand auf die Schulter. »Das solltet Ihr nicht sagen, Němec, denn so spricht nur einer, der selbst keine Heimat kennt. Heimat, das ist das Rauschen der Wälder um einen herum, das Blühen der Blumen, das Lachen der Mädchen und das Lied, das einem die Liebste singt.«
Er sprach all das aus, an das der Mann, den sie Němec nannten, sich nicht mehr erinnern konnte, obwohl die Worte eine unbestimmte Sehnsucht in ihm auslösten.
Betroffen sah Michel die anderen an und spürte, dass sie sich an schöne Dinge erinnerten, aber auch an Trauer und Leid. Sogar Janka wirkte auf einmal weich und zart, und ihr liefen Tränen über die Wangen.
Graf Sokolny atmete tief durch und nickte dann Marie zu. »Ich werde mich mit Fürst Vyszo treffen und sehen, ob es zu einer Verständigung kommt. Danach werde ich zum König gehen. Wenn seine Motive so edel sind, wie Ihr es sagt, Kastellanin von Hohenstein, kann hier wirklich Friede herrschen.«
Bislang hatte Michel immer zum Kampf gedrängt, doch nun nahm er die aufflammende Hoffnung in den Augen der anderen wahr und schwieg. Er hatte begriffen, dass er trotz allen Respekts, den man ihm als Krieger zollte, nie wirklich einer der Ihren gewesen war, sondern immer der Fremde, der Němec. So würde es auch in Zukunft sein.
Er schüttelte sich, um diesen Gedanken zu vertreiben, sagte sich aber, dass er seinem Schicksal und damit auch seiner Vergangenheit nicht entkommen konnte. Das hieß für ihn, seine wahren Feinde zu kennen und zu bekämpfen. Zwar wusste er nicht, wer sie waren, doch die Frau, die sein »Rentier« war, konnte es ihm sagen. Mit einer resignierenden Geste hob er die Hand.
»Ich werde mit Marie von Hohenstein zu Fürst Vyszo reiten. Sollte uns kein Erfolg beschieden sein, wird Sokolny Euch brauchen, Graf, und nicht mich. Marat kann Euch ebenso gut dienen wie ich. Doch weder er noch ich sind in der Lage, Euch zu ersetzen.«
Noch während die anderen ihn erstaunt ansahen, trat Michel auf Janka zu und fasste ihre Hand. »Es tut mir leid, Komtesse. Aber ich bin nicht Němec’co, sondern ein Wanderer, der aus dem Dunkel kam und sein Licht an einem anderen Ort suchen muss!«
Janka hatte gehofft, es könne doch noch anders kommen, und so glitt der Ausdruck tiefen Schmerzes und großer Enttäuschung über ihr Gesicht. Dann entzog sie Michel mit einem heftigen Ruck die Hand und lief aufschluchzend davon.
Michel bedauerte, ihren Stolz und ihre Gefühle verletzt zu haben, doch er sah Marat zustimmend nicken und wusste, dass er richtig gehandelt hatte. Tief durchatmend drehte er sich zu Marie um, die etliche Schritte entfernt stand und ihn einerseits mit einem gewissen Verständnis, andererseits aber auch mit sichtlichem Ärger musterte. Ihr Stolz war ebenso verletzt wie der von Janka und machte sich mit einer spöttischen Bemerkung Luft.
»Ihr wollt mich wirklich begleiten?« Sie sprach ihn wie einen Fremden an, um ihm zu zeigen, dass er sich ihr Vertrauen erst wieder erwerben musste.
»Warum sollte ich es nicht tun?«, fragte er mit einem Achselzucken. »Schließlich habe ich oft genug davon geträumt.«
»Ihr seid ein wahrer Edelmann!« Ritter Roland zog sein Schwert und schlug es zum Zeichen seiner Anerkennung gegen seinen Schild. Die anderen Ritter folgten seinem Beispiel, und so hallte das rhythmische Klopfen durch die ganze Burg.
Michel lächelte bitter und fragte sich, was ihm die Zukunft bringen würde. In seinen Träumen hatte er Marie von Hohenstein weit weniger bekleidet gesehen als zu dieser Stunde und Augenblicke der Liebe mit ihr genossen. Doch nun wirkte die Frau so abweisend, als wäre ihr die Begleitung jedes anderen Mannes lieber als die seine. Dabei war
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