Die Rache Der Wanderhure
eine auffällige Narbe am Kopf wieder genauso aus wie früher.
Michel stieg aus dem Sattel und schritt auf das Zelt des Befehlshabers zu, ließ seinen Blick aber forschend über das Lager gleiten. Als er zu Hettenheims Zelt hinüberblickte, verbarg der Graf sich erschrocken hinter der Zeltplane. Auf Sokolny hatte Michel Adler als Mann ohne Gedächtnis gegolten. Doch als der Hohensteiner seine Frau mit einer zärtlichen Geste vom Pferd hob, hätte Hettenheim keinen schimmligen Pfennig darauf gewettet, dass der Mann sich an nichts mehr erinnern konnte.
Mit einem Mal packte ihn die Angst mit voller Wucht, denn Michel Adler war ein fürchterlicher Krieger. Nicht einmal zu dritt war es Loosen, Haidhausen und Mühldorfer gelungen, mit ihm fertig zu werden. Wenn er im Lager blieb und darauf wartete, bis dieser ihn erkannte und zum Zweikampf herausforderte, war er ein toter Mann.
Er blieb in der Deckung seines Zeltes, bis das Paar das Feldherrenzelt betreten hatte, und befahl dann einem seiner Männer, sein Pferd und die Pferde seiner persönlichen Leibschar satteln zu lassen. Am liebsten hätte er das Lager sofort verlassen, aber er sagte sich, dass er mehr erfahren musste, um sich auf eine mögliche Fehde mit Michel von Hohenstein und dessen Weib einstellen zu können.
Mit verbissener Miene forderte er einem seiner Soldaten dessen Mantel ab, warf ihn sich über und zog sich die Kapuze über den Kopf. So verkleidet, schlich er sich von hinten an das Zelt des Befehlshabers heran und lauschte dem Gespräch, das sich drinnen entspann.
Obwohl sein eigener Name dabei nicht fiel, erschreckte ihn das, was er hörte, bis ins Mark. Zu seinem Leidwesen verstand er nicht alles, aber er begriff, dass Janus Supperturs Pläne mit den Hussiten, Sokolny und dem königlichen Heer auf ganzer Linie gescheitert waren. Wenn Marie und Michel von Hohenstein nun auch noch Anklage gegen ihn erhoben, würde der Herzog von Sachsen ihn verhaften und als Gefangenen zu Sigismund schaffen lassen.
Mit dieser Überlegung zog Hettenheim sich zurück und eilte zu den Pferden. Eine Wache des Sachsen hatte ihn jedoch bemerkt und verlegte ihm den Weg, um ihn zur Rede zu stellen.
»Du Narr, erkennst du mich nicht?«, fuhr Hettenheim den Mann an.
»Aber wieso lauscht Ihr hinter dem Zelt, anstatt hineinzugehen, wie es sich für einen Herrn von Stand und Befehlshaber des fränkischen Aufgebots gehört?«, fragte der Mann verdattert.
»Bin ich einer Kröte wie dir Rechenschaft schuldig?« Mit diesen Worten ließ Hettenheim den Mann stehen und ging weiter. Bei seiner eigenen Leibschar angekommen, befahl er den sofortigen Aufbruch.
»Beeilt euch und richtet euch darauf ein, dass wir die Nacht durchreiten«, setzte er so grimmig hinzu, dass niemand ein Widerwort wagte.
Während die Pferde gesattelt wurden, hatte Hettenheim das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu stehen. Mehrmals äugte er zu dem Wachtposten hin, der ihn vorhin aufgehalten hatte, doch der blieb auf seinem Platz und kümmerte sich nicht weiter um ihn.
Kurz darauf näherte sich sein derzeitiger Unteranführer und meldete, dass alles zum Aufbruch bereit sei. Mit angespannter Miene stieg Hettenheim in den Sattel und lenkte sein Pferd zum Lagertor hinaus. Als einem der hohen Herren, die hier ein und aus gingen, stellten ihm die Wachen keine Fragen, doch sein Aufbruch blieb nicht unbemerkt.
Nepomuk hatte ihn beobachtet und wartete besorgt darauf, dass Michel und Marie das Zelt des Oberbefehlshabers verließen und er mit ihnen reden konnte.
7.
S igismunds Heerführer war sehr gespannt auf die Neuigkeiten, die Marie und Michel zu berichten wussten. Mit den zur Verfügung stehenden Truppen war er nicht in der Lage, gegen Fürst Vyszo und Graf Sokolny gleichzeitig Krieg zu führen, daher musste sich jede Veränderung der Machtverhältnisse unmittelbar auf seine Lage auswirken. Er hatte bisher nichts anderes erreichen können, als die Hussiten mit viel Mühe daran zu hindern, in den von ihm kontrollierten Teil des Reiches vorzustoßen. Nun zu erfahren, dass der König sowohl mit Sokolny wie auch mit Fürst Vyszo einen Waffenstillstand und vielleicht sogar Frieden schließen konnte, erleichterte ihn sehr. Wenn es dazu kam, würde er vielleicht sogar den Winter über in seine Heimat zurückkehren dürfen, denn bei Schnee und Eis war ein Zelt im Feldlager kein guter Platz. Da er immer wieder Fragen stellte, war die Nacht bereits hereingebrochen, als er Hohenstein und seine Frau entließ.
Kaum standen
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