Die Rache Der Wanderhure
Marie und Michel im Freien, trat Nepomuk auf sie zu. »Ich glaubte schon, ihr würdet kein Ende finden!«
Der Klang seiner Stimme alarmierte Marie. »Ist etwas geschehen?«
Nepomuk deutete auf Hettenheims Zelt. In den früheren Nächten hatten dort die Lagerfeuer des fränkischen Aufgebots gebrannt. Jetzt war es an dieser Stelle so dunkel wie in einer Höhle.
»Hettenheim hat euch ins Lager kommen sehen und ist kurz darauf abgerückt. Wie es aussieht, will er nach Westen.«
»Westen?« Marie fragte sich, was der Mann nun vorhatte. Dann aber dachte sie an Ruppertus und ihre kleine Tochter, die sie auf Hohenstein zurückgelassen hatte.
»Wir müssen Hettenheim folgen und nach Möglichkeit überholen«, sagte sie erregt zu Michel.
Er schüttelte nur verständnislos den Kopf und haderte damit, dass sein Gedächtnis immer noch versagte. Daher war er ganz auf das Wissen seiner Begleiterin angewiesen, die es ihm derzeit nur lückenhaft weiterreichte.
»Hettenheim ist der Verbündete dieses Ruppertus. Du befürchtest, dass er zu diesem reitet?«, fragte er.
»Ja, davon bin ich überzeugt«, antwortete Marie, »und ich habe Angst vor dem, was Ruppertus dann tun wird. Deshalb sollten wir noch heute Nacht losreiten.«
Michel warf einen Blick in die Runde und schüttelte den Kopf. »Wir würden Fackeln brauchen, um uns den Weg auszuleuchten, und kämen dennoch nur ein paar Meilen weit. Morgen wären unsere Pferde und wir selbst dann zu erschöpft, um eine ganze Tagesetappe zu schaffen. Daher sollten wir im ersten Tageslicht aufbrechen und so rasch reiten, wie wir es den Pferden zumuten können.«
Obwohl Marie sich Flügel wünschte, um Hettenheim überholen zu können, begriff sie, dass ihr Mann recht hatte. Sie kannte den genauen Weg nach Nürnberg nicht und würde daher in den Herbergen nach dem nächsten Wegstück fragen müssen. Das bedeutete ebenfalls Zeitverlust. Hier im Lager zu fragen, wagte sie nicht, denn sie konnten an einen Anhänger Hettenheims geraten und in die Irre geführt werden.
»Es wäre gut, wenn du dein Gedächtnis rasch wiedererlangen könntest«, sagte sie schnaubend zu Michel, nahm eine Fackel und ging auf Hettenheims herrenloses Zelt zu. »Da niemand diese Unterkunft benutzt, können wir hier schlafen!«
»Einen Augenblick! Ich habe noch etwas für dich.« Nepomuk griff nach hinten und holte die alte Strohpuppe aus dem Wagen, die Marie aus der Heimat mitgenommen und dann bei ihm vergessen hatte.
Marie schnappte danach wie nach einem wertvollen Talisman und drückte das mitgenommene Ding an sich. »Danke! Vielleicht wird jetzt doch noch alles gut.«
Verwundert, weil sie so viel Aufhebens um ein schmutziges, kaputtes Ding machte, musterte Michel die Puppe und schüttelte den Kopf. Frauen waren wahrlich seltsame Wesen. Dieser Gedanke hinderte ihn jedoch nicht daran, unterwegs ein wenig Stroh mitzunehmen und in Hettenheims Zelt eine neue Strohpuppe zu binden. Seine Hände taten es fast wie von selbst, und als er sie Marie zeigte, sah diese ihn erstaunt an.
»Die alte Puppe ist ziemlich kaputt, und da dachte ich, du möchtest vielleicht eine neue haben«, sagte Michel.
Marie nahm die Puppe in die Hand und sah sie an. »Wie hast du das gemacht? Kommt dein Gedächtnis wieder?«
»Nein, ich … Vielleicht war ich früher einmal ein Puppenspieler und habe dabei gelernt, Puppen zu fertigen. Ich konnte ja auch mit Waffen umgehen, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, wann ich es gelernt hatte.«
Michels Worte ernüchterten Marie. Sie würde ihrem Mann nicht nur beibringen müssen, wer ihre Feinde waren, sondern auch alles andere, was für ihn wichtig war.
Da Nepomuk mehrere Fackeln aufgestellt hatte, war es angenehm hell im Zelt, und das weiche Licht ließ Maries Gesichtszüge sanft und wunderschön erscheinen. Michel musterte sie versonnen und fand, dass er wohl niemals einer begehrenswerteren Frau als ihr begegnet war. Zwar hatte sie einmal behauptet, Sigismunds Hure gewesen zu sein, doch das störte ihn nicht. Eine Frau wie sie würde immer ihren eigenen Weg gehen, und in dieser Stunde hoffte er, dass ihr Weg zu ihm führen würde.
»Hat der König dir damals diese Burg gegeben?«, fragte er in dem Bestreben, mehr über sie und damit auch sich zu erfahren.
Maries Gedanken waren weit gewandert, und es dauerte einige Augenblicke, bis sie die Frage begriff. Dann schüttelte sie den Kopf. »Mein Mann war der Sohn eines Schankwirts in Konstanz, wurde dann einer der Hauptleute des
Weitere Kostenlose Bücher