Die Rache Der Wanderhure
Königs und später zum Burghauptmann von Hohenstein ernannt.«
»Und wo ist dein Mann jetzt?«, fragte Michel in der Hoffnung, sie würde sagen, dass dieser ihr genau gegenübersitzen würde.
So leicht aber wollte Marie es ihm nicht machen. »Es hieß, er sei an der Eger gefallen!«
Um Michels Lippen spielte ein nachdenkliches Lächeln. »Das ist ein schicksalhafter Fluss. Er hat mich fast das Leben gekostet. Doch wo hast du gelebt?«
Marie musterte ihn jetzt schärfer. Dämmerte es ihm langsam, wer sie und wer er war? »Mein Mann und ich lebten auf einer Burg inmitten sonnendurchfluteter Weinberge an den Hängen des Frankenlands.«
Es war ein weiterer Versuch, in ihrem Mann, der noch immer der Němec war, den Marat aus der Eger gezogen hatte, Michel wiederzuerwecken. Daher schwärmte sie ihm von Hohenstein und der Landschaft vor, in der es lag, und stellte fest, dass Michel förmlich an ihren Lippen hing. Er wirkte aufgewühlt, doch auf das Verstehen, auf das sie gehofft hatte, wartete sie vergebens. So ging sie auf intimere Dinge über.
»Unser liebster Platz war eine kleine Wiese mit alten Obstbäumen unten am See. Dort haben wir uns unter einem Holunderbusch geliebt, während unsere Tochter Trudi mit ihren Puppenkindern schwimmen ging. Michel musste ihr immer wieder neue binden, weil das Spielzeug sich im Wasser aufgelöst hat.«
Michel lächelte melancholisch. Zwar war er sich mittlerweile sicher, dass sie von ihm sprach, doch er vermochte sich weder an Trudi noch an Hohenstein zu erinnern. Es machte ihn traurig, aber er hoffte von ganzem Herzen, einmal dort weitermachen zu können, wo er einst aufgehört hatte.
»Dein Mann war zu beneiden«, sagte er mit einem sehnsuchtsvollen Blick, der diesem verlorenen Glück galt.
Bis jetzt hatte Marie sich gegen ihr Herz gesträubt, doch nun begriff sie, wie verlassen er sich fühlen musste. Sie rückte näher zu ihm hin und fasste seinen Kopf mit beiden Händen.
»Es wird alles gut werden. Dessen bin ich mir gewiss!«, sagte sie und küsste ihn voller Leidenschaft, so als wolle sie seine Erinnerung erzwingen. Nun gab es auch für Michel kein Halten mehr. Er schlang die Arme um sie, spürte ihren warmen, festen Körper, und sein Wunsch, mit ihr eins zu sein, wurde immer stärker.
»Glaubst du, wir könnten das tun, was ich in meinen Träumen mit dir erlebt habe?«, fragte er heiser und legte seine Hand auf ihre Brust.
Marie zögerte einen Augenblick, dann nickte sie und zog ihr Kleid und ihr Hemd über den Kopf. Als er ihren bloßen Oberkörper sah und ihr vom flackernden Licht der Fackeln beleuchtetes Haar, wurde er eins mit seinem Traum. Ein letzter Gedanke galt noch Marat und der Tatsache, dass er im Gegensatz zu seinem Freund sein »Rentier« gefunden hatte.
8.
A ls sich die ersten Finger der Morgenröte über den östlichen Horizont schoben, waren Marie und Michel zum Aufbruch bereit. Die Nacht hatte Michels Gedächtnis nicht zurückgebracht, aber dennoch fühlten sich beide so stark verbunden, wie Marie es von früher kannte.
Nepomuk war ebenfalls wach und hatte ihre Pferde gesattelt. Als er sah, wie Michel Marie auf ihre Stute hob, und die Blicke beobachtete, die beide wechselten, seufzte er traurig. Marie war eine Frau, wie er sie niemals in Armen halten würde. Dennoch wünschte er ihnen alles Glück für diese Reise.
»Seid vorsichtig! Dieser Ruppertus ist gefährlicher als alles, was ich je kennengelernt habe«, setzte er mahnend hinzu.
»Das wissen wir«, antwortete Marie und lenkte ihre Stute zum Lagertor.
Michel ritt an ihrer Seite und richtete seine Gedanken auf das, was vor ihnen liegen mochte. So nahmen beide nicht wahr, dass auch Nepomuk das Lager verließ. Der Gaukler hätte ihnen unterwegs raten können, welche Straßen sie nehmen sollten, doch mit seinem Wagen war er viel zu langsam. Daher sah er nur hinter dem schönen Paar her, bis es in der Ferne verschwand.
Einige Zeit überlegte er, ob er nicht besser wieder seiner eigenen Wege ziehen sollte. Es gab genug Städte und Landschaften, in denen er und seine Kunststücke willkommen waren. Doch ein unbestimmtes Gefühl trieb ihn dazu, denselben Weg einzuschlagen wie Michel und Marie. Er wollte unbedingt wissen, ob die beiden mit ihren Feinden fertig würden, und ihnen notfalls dabei helfen.
Bei dem Gedanken lachte er über sich selbst. Was sollte er, ein kleiner Gaukler und Taschenspieler, schon groß bewirken können? Der Feind, dem Marie und ihr Mann gegenüberstanden, war viel zu
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