Die Rache Der Wanderhure
nur um ihretwillen, sondern auch wegen Michel und Trudi.
Die Leute um sie herum lachten erneut, und diesmal fiel auch der König mit ein. Nur Isabelle beteiligte sich nicht an der allgemeinen Heiterkeit, sondern musterte Marie durchdringend.
Mit dem festen Willen, die Sache zu beenden, sah Sigismund Marie an. »Ihr wollt Euren Mann in einer Vision gesehen haben. Visionen sind aber Sache der Kirche, und ich glaube nicht, dass ein Pfarrer oder Bischof Eurem Traum eine Bedeutung zumessen wird.«
»Ich werde Michel finden!«, rief Marie entschlossen.
»Dafür müsstet Ihr ins Land der Hussiten reisen!«, warf Isabelle ein und schüttelte unbewusst den Kopf. Die Kastellanin von Hohenstein mochte entschlossen und mutig sein, doch verfügte sie auch über den Verstand, um diese Gaben anwenden zu können? Daher wartete sie gespannt auf Maries Antwort.
»Ich werde Michel finden! Wenn es sein muss, auch in der Hölle!«
Sigismund verzog verärgert das Gesicht, doch bevor er eine Entscheidung treffen konnte, berührte Isabelle ihn am Arm.
»Gewährt ihr Aufschub!«
Nach kurzem Zögern sagte er sich, dass ihm dies die Möglichkeit bot, eine unangenehme Entscheidung hinauszuschieben. Daher hob er in einer huldvollen Geste die Hand, auch wenn sein anzügliches Grinsen nicht zu seiner königlichen Haltung passen wollte.
»Aufgrund Eurer Verdienste um das Reich erlauben wir Euch, noch ein wenig weiterzuträumen. Ihr habt Zeit bis zum nächsten Vollmond, Euren Mann zu finden und mir zu beweisen, dass er noch lebt. Dann gilt das Gesetz, und Ihr werdet Janus Suppertur angetraut.«
Voller Wut über diese Bedingung, wollte Marie widersprechen, doch da fassten zwei Wachen sie bei den Armen und führten sie aus dem Saal.
Thomas, dem es gelungen war, im Hintergrund einen Platz zu finden, folgte ihr besorgt. »Was willst du jetzt tun?«, fragte er, als sie wieder im Freien standen.
Marie blickte zum Himmel hoch, auf dem nun wie zum Hohn die Wolken verschwunden waren. Die schmale Sichel des Mondes stand als blasser Schatten über dem Horizont. Rasch rechnete sie nach und stieß einen unwilligen Laut aus.
Auch Thomas sah zur Mondsichel auf. »Es sind nur noch zehn Tage bis zum Vollmond!«
Mit einem Gefühl, als wäre alles in ihr gestorben, blickte Marie auf das Muschelarmband, das Michel ihr geschenkt hatte, bevor er in den Krieg gezogen war. Sie zählte elf Muscheln, riss eine davon ab und ließ sie zu Boden fallen. Darunter kam der gelbe Samt zum Vorschein, auf den die Muscheln aufgenäht waren, und die Farbe erschien ihr nun wie ein übles Omen.
»Man hat mir zehn Tage Zeit gelassen. Danach werde ich wieder die gelben Bänder tragen müssen!«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Thomas.
Beschwichtigend hob Marie die Hand. »Wir haben nur wenig Zeit und sollten die Stunden nützen. Daher wirst du nach Hohenstein zurückkehren. Beschütze meine Tochter, was immer auch geschehen mag. Sage ihr, ich bringe ihr den Vater zurück! Oder …«
Was immer sie auch hatte sagen wollen, unterblieb. Warum sollte sie Thomas und damit auch Hiltrud und Trudi ängstigen? Eines jedoch wusste Marie mit Sicherheit: Sie würde niemals den Mann heiraten, den Sigismund ihr aufnötigen wollte.
Unterdessen kämpfte Thomas mit seinen Gefühlen. »Sollte ich nicht besser mit dir kommen?«
»Nein! Sorge für meine und Michels Tochter! Und nun geh!« Für Marie war damit alles gesagt.
Thomas spürte, dass er sie nicht umstimmen konnte, und verließ sie. Einen Augenblick lang überlegte er noch, ihr heimlich zu folgen, um ihr, wenn es hart auf hart kam, beistehen zu können. Dann aber sagte er sich, dass wenigstens einer während Michels und Maries Abwesenheit auf Hohenstein nach dem Rechten sehen musste. Außerdem wollte er nicht gegen Maries ausdrücklichen Befehl handeln.
Ganz so sicher, wie sich Marie Thomas gegenüber gegeben hatte, fühlte sie sich nicht. Bis Böhmen war es ein weiter Weg, und sie würde gewiss etliche gefährliche Situationen meistern müssen. Beinahe hätte sie Hiltruds Mann zurückgerufen, damit sie nicht alleine reisen musste. Dann aber dachte sie an Trudi. Ihre Tochter benötigte Thomas’ Schutz dringender als sie.
Da sie noch zur selben Stunde aufbrechen wollte, wandte sie sich den Ställen zu, um ihr Pferd satteln zu lassen. Aber sie kam nur ein paar Schritte weit, denn die Nonne, die hinter Sigismund gestanden hatte, vertrat ihr den Weg.
Isabelle de Melancourt war der Kastellanin von Hohenstein gefolgt, hatte sich
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