Die Rache Der Wanderhure
dein Knie und empfange den Leib des Herrn!«
Erleichtert, auf so leichte Art und Weise Vergebung seiner Sünden zu erlangen, anstatt einem Pfarrer Rede und Antwort stehen zu müssen, kniete Eberhard sich vor Marie hin und schlug das Kreuz. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des …«
»… freien Geistes«, setzte Marie hinzu. Dabei zog sie ihm den Kerzenständer über den Schädel.
Mit einem halberstickten Laut fiel Eberhard nach hinten und rührte sich nicht mehr.
»Hoffentlich habe ich ihn nicht erschlagen«, murmelte Marie und beugte sich über ihn.
Als sie nach seiner Halsschlagader fühlte, war sein Puls zwar schwach, aber stetig. Erleichtert erhob sie sich, band das ihr am nächsten stehende Pferd los und zog sich in den Sattel. Ihre Nonnentracht war zwar nicht dafür geeignet, mit gespreizten Beinen zu reiten, doch im Augenblick zählte für sie nur, dass jeder Schritt des Tieres sie weiter aus der Reichweite ihrer Verfolger brachte.
Um möglichst viel Vorsprung herauszuholen, trieb Marie das Pferd in den Galopp. Immer wieder musste sie sich tief auf den Pferdehals beugen, da Äste in den Weg hineinragten. Manches Mal schlugen ihr die Zweige dennoch schmerzhaft ins Gesicht.
Nach einer Weile kam sie an einen vom Regen stark angeschwollenen Bach, dessen Wasser hoch aufschäumte. Sie holte tief Luft und zwang den widerspenstigen Wallach, in das aufgewühlte Wasser hineinzusteigen. Mitten in der stärksten Strömung stolperte das Tier, und sie sah sich schon in die Flut stürzen. Doch das Pferd fasste wieder Tritt und kletterte prustend das steile Ufer hinauf.
Marie brauchte einige Zeit, ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen, bevor sie es wagte zurückzuschauen. Nebelschwaden zogen über das Land, und das Kloster auf der Anhöhe war nur noch schemenhaft zu erkennen. Von ihren Verfolgern war nichts zu hören und zu sehen. Daher hoffte sie, genügend Vorsprung herausgeholt zu haben, um das königliche Heerlager lange vor dem schwarzen Mönch zu erreichen. Dort würde sie als Erstes nach dem Gaukler Nepomuk fragen.
Maries Vorsprung war weitaus geringer, als sie ahnte. Nach dem Tod der beiden Männer, die das Tor des Klosters hatten einschlagen sollen, erteilte Ruppertus seinen Leuten den Befehl abzurücken. Da er überzeugt war, Marie würde sich im Kloster aufhalten, wollte er die Nonnen zuerst in Sicherheit wiegen und aus der Deckung des Waldes heraus nach einer Möglichkeit suchen, doch noch in den Bau eindringen zu können. Dann würde er die Niederlage, die er eben hatte hinnehmen müssen, in einen Sieg verwandeln und dafür sorgen, dass Isabelle de Melancourt für ihren Widerstand bezahlte. Er stellte sich gerade die Foltern vor, denen er die Äbtissin unterwerfen würde, als sie die Pferde erreichten.
Eigentlich sollte Eberhard die Tiere bewachen, doch der Mann war nirgends zu sehen. Da stieß einer der anderen Krieger einen Fluch aus. »Zum Teufel, wo ist mein Gaul?«
Es riss Ruppertus herum, als hätte er einen Schlag erhalten. »Kann Eberhard mit Marie geflohen sein?«, fragte er misstrauisch.
Hettenheim hob beschwichtigend die Hand. »Das würde er niemals tun. Dafür ist er zu treu!« Leiser und im Grunde nur für sich gedacht, setzte er hinzu: »… und zu dumm.«
»Hier ist er!«, meldete da Gunter von Loosen, der den Vermissten entdeckt hatte. »Jemand muss ihn niedergeschlagen haben, er blutet am Kopf.«
Ruppertus warf einen Blick auf Eberhards Pferd und fluchte. »Dieser Narr hat seinen Helm an den Sattel gehängt und lässt sich dann auch noch übertölpeln wie ein kleines Kind!«
»Oder wie der Herr Inquisitor persönlich«, murmelte einer der Männer, dem der beschämende Abzug aus dem Kloster und der Feuertod seiner beiden Kameraden noch auf der Seele lagen.
Zu seinem Glück war Ruppertus viel zu erregt, um darauf zu achten. Er blickte in die Richtung, in der das Lager der königlichen Truppen liegen musste, und zog den einzig richtigen Schluss.
»Sie reitet zum Heer! Also werden wir gleich aufbrechen und ihr folgen. Vorher aber werde ich diesen Mann für sein Versagen bestrafen. Euer Schwert!« Ruppertus streckte die Hand in Hettenheims Richtung aus, doch der schüttelte den Kopf.
»Euer Exzellenz, wir haben heute schon zwei Leute verloren. Dabei brauchen wir jeden Mann.«
Einige Augenblicke lang kämpfte Ruppertus mit sich, dann drehte er sich wortlos um und stieg in den Sattel.
»Los jetzt! Ich will dieses Weib haben – und wenn wir es aus der Hölle holen
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