Die Rache Der Wanderhure
ich.«
»Wisst Ihr, wie er umgekommen sein soll?«, fragte Marie voller Hoffnung, hier eine Antwort auf ihre bohrenden Fragen zu erhalten.
»Nein! Aber wie es Gott will, weiß es der Mann, der dort im Sterben liegt. Es ist Hannes Mühldorfer, der ebenfalls zu Hettenheims Aufgebot gehört und bei der Patrouille war, die Hohenstein bei seinem letzten Ritt angeführt hat.«
»Mühldorfer!« Den Namen hatte bereits der junge Soldat genannt. Voller Anspannung eilte Marie weiter und übersah dabei, dass ein zwergenhafter Mann in bunten Kleidern ins Zelt trat und sich in eine dunkle Ecke drückte.
Ein Helfer des Wundarztes reichte Marie eine Kerze auf einem Messingständer. Sie zögerte einen Augenblick, diesen anzufassen, denn er erinnerte sie daran, dass sie erst vor kurzem einen Mann mit einem ähnlichen Kerzenständer niedergeschlagen hatte. Dann aber nahm sie das Licht und trat auf das Bett zu, auf dem Mühldorfer lag.
Der alte Haudegen sah für einen Todgeweihten recht munter aus. Zuerst musterte er Marie durchdringend und begann schließlich zu grinsen. »Ihr seid es wirklich! Auf Hohenstein war ich mir noch nicht sicher, aber jetzt erkenne ich Euch! Schade, dass Ihr die gelben Bänder mit dem Krähenkleid einer Nonne vertauscht habt. Aber was soll’s! Maria Magdalena war auch eine Hure, und sie gehörte zu den Frauen, die unserem Herrn Jesus Christus nachfolgten und für seinen und der Jünger Unterhalt sorgten. So steht es in der Bibel bei Matthäus, Vers siebenundzwanzig!«
Marie sah ihn verwundert an. »Sollte ich dich kennen?«
»Es ist schon lange her – damals auf dem Markt von Merklingen. Eine wie Euch vergisst ein Mann nie!«
»Jetzt erinnere ich mich! Du hast damals zwei Kerle verprügelt, die mir mein Geld abnehmen wollten.« Für einen Augenblick war jene Zeit wieder so präsent, als habe es das Vorher und Nachher nie gegeben.
Mühldorfer nickte matt. »Als Dank habt Ihr mich mit in Euer Zelt genommen. Das war eine schöne Zeit.«
»Nicht für mich!«
»Eine andere Zeit als jetzt«, murmelte Mühldorfer, ohne auf Maries Einwand einzugehen. »Damals war es noch ehrenhaft, einem hohen Herrn zu dienen. Doch jetzt …«
Der Mann brach ab und atmete auf einmal schwer. »Ich sehe den Schnitter schon. Gleich wird er seine Sense schwingen. Dabei würde ich vorher noch gerne meine Seele erleichtern.«
Er hob den Arm und packte Marie an der Schulter. »Mich drückt ein feiges Attentat, bei dem ich mitgeholfen habe. Es ging um einen aufrechten Kameraden, der den hohen Herren wohl im Wege war, nämlich Euren Mann! Man hat mich bei meinem Gefolgschaftseid gezwungen, dabei zu helfen.«
»Wer hat Michel umbringen wollen?«, rief Marie und sah sich erschrocken um, ob ihnen jemand zuhören konnte.
Mühldorfers Blick wurde bereits trübe, doch er sammelte Kraft, um weiterzusprechen. »Euer Gemahl war ein großer Kämpfer. Selbst zu zweit sind sie nicht mit ihm fertig geworden, und ich glaube, er hätte uns auch zu dritt besiegt. Doch dieses Teufelsrohr …«
»Was ist passiert?« Marie packte Mühldorfer bei der Brust und wollte ihn schütteln. Da klang seine Stimme erneut auf.
»Ich weiß es nicht! Er stand ein paar Schritte von uns entfernt und verspottete uns, weil wir nicht einmal zu dritt mit ihm fertig wurden. Plötzlich krachte es, und er fiel um wie vom Schlag getroffen.«
»Hast du seinen Leichnam gesehen?«, drängte Marie.
»Er ist in die Eger gestürzt, und der Fluss hat ihn mitgenommen.« Mühldorfers Kraft war geschwunden, und er sehnte nur noch den Augenblick herbei, in dem der Tod ihn von seinen Schmerzen erlöste.
Marie, die endlich einen Zipfel der Wahrheit in Händen hielt, war jedoch nicht bereit, ihn so einfach gehenzulassen. »Wer war dabei?«, fragte sie drängend. »Wer hat den Tod meines Mannes gewollt?«
Ihre Worte drangen nicht mehr bis zu dem Sterbenden durch. Mühldorfer stöhnte unter einer neuen Schmerzwelle und begann zu husten. Als er wieder Luft bekam, hob er den Blick zur Zeltdecke, als sähe er dort jemand.
»Ich bereue, den Hauptmann verraten zu haben. Er war ein guter Anführer. Dafür werde ich wohl sehr, sehr lange im Fegefeuer brennen.«
»Du kannst es gutmachen und diese Schuld tilgen«, beschwor ihn Marie. »Sage mir, wer meinen Mann töten wollte. Diese Männer müssen bestraft werden!«
»Es sind …«, murmelte Mühldorfer mit ersterbender Stimme. Was er jedoch sagen wollte, riss ihm der Tod von den Lippen.
Marie starrte den Mann an und begriff
Weitere Kostenlose Bücher