Die Rache des Bombenlegers
Treppe hinauf. Und
ward nicht mehr gesehen.
Aufatmend befreite Siggi sich aus
seinem Versteck. Er nahm sein Werkzeug an sich, sah sich um und horchte in die
Stille des Hauses. Dann begann er die Plünderung — mit der Geübtheit des
berufsmäßigen Gauners. Kein Schrank blieb verschlossen, kein Schubfach
ungeöffnet. Innerhalb kurzer Zeit hatte er Wertgegenstände aller Art
eingesackt: Figuren aus Jade und Elfenbein, zwei antiquarische Duellpistolen,
ein 24teiliges Tafelbesteck in Gold, eine Uhr und ein kleines Gemälde, das er
für kostbar hielt. Er entdeckte auch den Wandsafe. Von Heye, dem Boss, wußte er
die Zahlenkombination. Siehe da! Sie stimmte. Der Safe ließ sich öffnen.
Erwartungsvoll luchste Siggi in das Fach.
Er fand verschiedene Scheckhefte samt
dazugehöriger Scheckkarten und etwa 3 000 Mark in bar. Aber keine Spur von der
Kollektion Edelsteine.
Er hatte jetzt das Kaminzimmer, den
Speiseraum, die Küche, ein muffiges Gästezimmer und eine kleine Bibliothek
durchwühlt. Adolfs Schlafzimmer lag gartenseitig. Der riesige Kleiderschrank
hatte eine Front aus Spiegeln. Die Bettwäsche war hellblau. Neben dem
Nachttisch standen drei leere Schnapsflaschen. Siggi zog die Nachttischlade
auf.
Dort lag das Foto einer hübschen,
jungen Frau. Sie hatte blaue, erstaunt blickende Augen und braunes Haar, das
zum Pferdeschwanz gebunden war. Auf der Fotorückseite stand:
... immer — Deine Elly. —
Das Datum daneben lag fast drei Jahre zurück.
Unter dem Foto entdeckte Siggi einen in
Papier gewickelten Sicherheitsschlüssel.
Der Mittagsräuber zögerte einen Moment.
Dann schob er ihn in die Tasche.
„Die Edelsteine!“ murmelte er. „Verdammt!
Deswegen bin ich doch hier! Wo sind die Klunkern?“
Er huschte in die Diele zurück und
überlegte, wohin er sich wenden sollte. Ein Blick auf die Uhr — ja, er hatte
noch Zeit. Er musterte die Holztür, hinter der die Kellertreppe lag. Also gut.
Vielleicht war unten was Lohnendes.
Er schloß die Kellertür hinter sich,
knipste Licht an und stieg die sich windende Treppe hinunter. Geweißelte Wände
begleiteten ihn. Auch unten sah alles sehr gepflegt aus. Spinnen, Mäuse und
Kakerlaken hatten hier kein Zuhause.
Er untersuchte den Weinkeller, einen
Vorratskeller, den Heizungskeller und den Trockenraum, wo auch eine
Waschmaschine stand, die aber alt war und sehr unbenutzt wirkte. Sicherlich
ließ Burkert seine Wäsche außer Hause reinigen.
Die nächste Tür war verschlossen.
Aha! Siggi grinste. Wohl die
Schatzkiste, wie?
Er griff nach dem Stemmeisen, sah aber
dann, daß das Schloß simpel war. Einer der Nachschlüssel paßte. Die Tür schwang
auf. Siggi machte Licht.
Erstaunt sah er sich um. Von einer
Kollektion Edelsteine keine Spur. Statt dessen...
Siggis Augen weiteten sich. Er ließ den
Mund offen. Für einen Moment stockte ihm der Atem. Dann begriff er, wohin der
Zufall ihn geführt hatte.
*
Sein dünnes Blondhaar klebte wie immer
am Kopf. Die eingeknickte Nase in dem hageren Gesicht war etwas gerötet. Das
lag an seiner Erkältung. Schon zum fünften Mal schneuzte Adolf sich ins
blauseidene Taschentuch.
Der Boden der Bahnhofshalle erzitterte
— jedesmal wenn draußen ein Zug einfuhr. Menschen eilten hierhin und dorthin.
Reisegruppen versammelten sich. Kofferkulis, von denen es immer zu wenig gibt,
wurden beladen und geschoben. Gastarbeiter, die mit ihrer Freizeit nichts
anzufangen wußten, standen herum. Dazu Lautsprecher-Durchsagen und vielfältiger
Lärm. Adolf rümpfte die Nase.
Der erste Zug aus Hartinghausen war
längst eingefahren, aber Pit, der Affe, nicht ausgestiegen. Wohl nicht
geschafft, naja. Adolf versuchte, sich in Geduld zu fassen. Inzwischen waren
ihm Zweifel gekommen, ob er sich über diesen Besuch auch wirklich freuen
sollte. Damals, im Knast, hatte Pit sich als nützlich erwiesen. Aber jetzt —
bestimmt wollte der irgendwas von ihm. Andererseits — wenn er, Adolf, durch
ihn, Pit, wieder ein paar interessante Typen kennenlernte, Spieler zum
Beispiel, dann lohnte es sich, die Knastfreundschaft aufzu wärmen.
Die WINZERSTUBE — ein Bahnhofslokal —
hatte wegen RenovierungsfErneuerungjarbeiten geschlossen.
Adolf tigerte auf und ab, steifbeinig,
die Schultern hochgezogen, beide Hände in den Taschen. Um sich die Zeit zu
verkürzen, beobachtete er die Leute.
Eine Schulklasse halbzarter Mädchen
ging vorbei. Adolf verdrehte sich den Hals.
Eine hübsche Frau, die ihn an Elly
erinnerte, eilte zum Ausgang. Er starrte auch
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