Die Rache des Griechen
nachdenken. Also stapelte sie die Teller und trug sie in die Küche. Nachdem sie den Abwasch erledigt hatte, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Thea stand mit empörtem Gesichtsausdruck auf der Schwelle.
„Warum tust du das? Er ist doch nicht mehr hier. Du brauchst nichts mehr vorzuspielen!“ Einen Moment begriff Kallie ihre Worte gar nicht. Thea sah so verletzt aus. Und wütend. „Thea …“
Die ältere Frau stieß einen verächtlichen Laut aus, ignorierte Kallie völlig und begann, Schränke wahllos zu öffnen und wieder zu schließen. Das hat sie immer getan, erinnerte Kallie sich, wenn sie zornig oder besorgt war. Damals hatte sie immer gelacht und Thea mit ihrem Verhalten aufgezogen.
Sie ging zu ihr und legte eine Hand auf Theas Arm. „Thea, bitte. Können wir reden?“
Schließlich erlaubte die Haushälterin ihr, sie zu dem Küchentisch zu führen. Allerdings weigerte sie sich, Kallie anzusehen. Also fing Kallie einfach an und erzählte Thea genau, was in jener Nacht vor sieben Jahren passiert war. Bis zu dem Punkt am nächsten Morgen, als Alexandros ihr die Zeitung vor die Füße geworfen hatte.
Sie war sich gar nicht bewusst, geendet zu haben, als Thea leise fragte: „Eleni?“
Kallie nickte schweigend.
Thea seufzte schwer. „Ich glaube dir. Ich wusste schon immer, dass dieses Mädchen nicht gut für dich ist. Du musst es Alexandros erzählen.“
Kallie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich habe es versprochen. Außerdem würde er sich an ihr rächen.“
„An ihr? Natürlich würde er das nicht, das ist ja das Problem. Du warst es, die ihm immer wichtig war, nicht sie. Aus diesem Grund hat sie es ja getan. Und nur deshalb ist er so wütend auf dich.“
Aber Kallie glaubte ihr nicht. Sie war Alexandros nicht wirklich wichtig gewesen – bewies das nicht die Schnelligkeit, mit der er sein Urteil über sie gefällt hatte?
„Thea, ich kann es ihm nicht sagen“, wiederholte sie also und berichtete von Elenis labiler Psyche.
Thea warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Ach bitte, diese Frau manipuliert doch einfach jeden. Du warst schon immer viel zu nett … und zu naiv.“
Kallie zuckte zusammen. Hatte Thea vielleicht recht? Würde Alexandros Eleni gar nicht bestrafen wollen? Doch ganz gleich, was Thea sagte, sie konnte das Risiko nicht eingehen.
Thea stand auf, um Kaffee zu kochen, setzte dann aber Wasser für grünen Tee auf, als Kallie das Gesicht verzog. Ihre Fürsorge zeigte Kallie, dass sie ihr verziehen hatte. Sie verspürte ungeheure Erleichterung.
„Kind, du hast keine Ahnung, was mit ihm nach dieser Sache passiert ist. Glaubst du wirklich, es ging nur um das Scheitern seiner Verlobung?“
Unbehaglich zuckte Kallie die Schultern. „Er muss sie sehr geliebt haben …“
Thea lachte. „Liebe? So naiv kannst nicht einmal du sein. Er hat sie nicht geliebt. Seine Mutter hat ihn zu der Heirat gezwungen, um Kouros Shipping zu retten. Als sein Vater starb, hat er ihm die Leitung der Firma hinterlassen, aber die alten Geschäftspartner hatten kein Vertrauen in Alexandros. Kouros Shipping stand kurz vor dem Bankrott. Das Geld der anderen Familie war ihre letzte Hoffnung.“ Die ältere Frau blickte Kallie aufmerksam an. „Wusstest du das nicht?“
„Nein. Er hat mir nur früher immer gesagt, er wolle gerne Kunst studieren.“
„Was du wiederum Eleni anvertraut hast. Und sie hat diese Information dann, zusammen mit dem Foto, an die Zeitungen weitergegeben.“
„O nein …“ Kallie hatte den ganzen Artikel nie gelesen. Sie hatte sich nie in der Lage gefühlt, sich dem ganzen Ausmaß ihrer leichtfertigen Tat zu stellen. Zu schwer hatten die Selbstvorwürfe auf ihrer Seele gelastet, als dass sie ihren Frevel auch noch schwarz auf weiß hatte lesen wollen.
„Ja. Sie haben ihn schlichtweg für nicht qualifiziert gehalten, eine große Reederei zu führen. Er wollte doch viel lieber Kunst studieren! Nachdem die Verlobung geplatzt war, ging es mit der Firma erst recht den Bach runter. Alexandros musste vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiten, um alles wieder ins Lot zu bringen. Und das hat er geschafft. Heute würde es niemand mehr wagen, ihn an damals zu erinnern.“
Unverkennbarer Stolz leuchtete auf Theas Gesicht. Die Vergangenheit erschien Kallie jetzt in einem anderen Licht. Der Mensch, in den Alexandros sich nach dem Tod seines Vaters verwandelt hatte, war aus großer Verantwortung und Notwendigkeit geboren worden. Nicht aus dem
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