Die Rache des Griechen
Nachtisch serviert. Kallie aß einen Löffel Eiscreme und genoss das Gefühl, wie das kalte Dessert durch ihre Kehle glitt. Aus irgendeinem Grund hatte sie Eis zu essen nie für besonders sinnlich gehalten, aber Alexandros gegenüberzusitzen, ließ sie ihre Umgebung, sich selbst, einfach alles viel intensiver empfinden.
Blitzschnell holte er sie allerdings auf den Boden der Tatsachen zurück und bewies ihr, dass er nicht halb so ergriffen war wie sie, als er fragte: „Du hast erwähnt, dass dein Vater die Verantwortung für den Tod deiner Mutter trägt?“
Kallie legte den Löffel hin und nickte vorsichtig. Warum erinnerte er sich daran? Einen Moment sah sie ihm eindringlich in die Augen. Doch in ihnen lag keine Falschheit.
„Du weißt doch, wie er war – er hat immer den Lebemann gegeben.“ Sie wich seinem Blick aus und spielte abwesend mit dem Löffel. „Nachdem Ya-Ya gestorben war, ging es mit der Firma bergab, und er begann zu trinken.“
Sie seufzte schwer. Die Trauer von damals wurde wieder lebendig. „An jenem Tag hat er endlich eingesehen, dass er Hilfe brauchte. Aber er bestand auf einem allerletzten Drink. Und er wollte Mum nicht ans Steuer lassen …“ Sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als sie an das typische griechische Machogehabe ihres Vaters zurückdachte. „Also ist sie mitgefahren, weil sie ihn nicht alleine lassen wollte.“
Ihr Blick, als sie schließlich aufschaute, berührte etwas in Alexandros. Einem tiefen inneren Bedürfnis folgend, sagte er: „Es tut mir leid, Kallie. Das wusste ich nicht.“
Unbehaglich zuckte sie die Schultern. „Nun, woher auch, nachdem du …“
„Nein“, stimmte er zu. Sie musste den Satz nicht beenden.
„Was ist mit deiner Mutter?“, wechselte Kallie das Thema. „Warum war sie nicht bei der Hochzeit?“
Die Veränderung auf seinem Gesicht kam schnell und überraschend. Seine Miene verdüsterte sich, sein Blick war auf ein unbestimmtes Ziel gerichtet. Erst nach langem Schweigen, als Kallie schon nicht mehr damit rechnete, antwortete er. „Für Reisen hatte sie nie viel übrig. Solange sie weiß, dass Kouros Shipping genug Geld einbringt, um ihr einen komfortablen Lebensstil zu garantieren, ist sie glücklich.“
Seine Stimme klang ziemlich kühl, aber Kallie ließ sich nicht hinters Licht führen. Er sprach, als sei es ihm gleichgültig, aber sie spürte seinen Schmerz. Jedoch wusste sie auch, dass er ihr Mitgefühl nicht schätzen würde. Fassungslos wurde sie ihrer unglaublich starken Gefühle gewahr, die in ihr den Wunsch weckten, zu ihm zu gehen und ihn in die Arme zu nehmen.
Sie entschuldigte sich, um den Waschraum aufzusuchen, bevor er etwas von ihrer Anspannung mitbekam. Erst als sie glaubte, sich wieder völlig unter Kontrolle zu haben, kehrte sie zurück. Eine Tasse Kaffee erwartete sie. „Danke, aber ich habe gar keinen Kaffee bestellt.“
„Eine Aufmerksamkeit des Besitzers.“
Erneut breitete sich Schweigen aus. Alexandros schien in Gedanken versunken zu sein. Offensichtlich hatten sie das Wenige, was ihnen an Gesprächen zur Verfügung stand, aufgebraucht. Kallie nippte an dem Kaffee. Bald würden sie wieder in die Villa zurückfahren. Würde er sie bitten, mit ihm zu schlafen? Würde er sie küssen, um ihren Willen zu brechen? Sie zwingen? Dabei musste er das doch gar nicht …
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie einen größeren Schluck trank. Sie wagte nicht, Alexandros anzusehen. Ein weiterer Schluck. Alles, um sich abzulenken. Der Kaffee hatte einen merkwürdigen Beigeschmack. Mit Widerwillen schwenkte sie das schwarze Getränk in der Tasse.
„Was ist denn in dem Kaffee? Er schmeckt so anders“, fragte sie.
„Irgendein Likör, hat der Kellner gesagt.“
Sofort war es Kallie, als würde sich eine Faust in ihren Magen bohren. Seit sieben Jahren hatte sie keinen Alkohol mehr angerührt. Und plötzlich war alles, was sie noch riechen, schmecken oder fühlen konnte, der Alkohol. In ihrem Kopf drehte sich bereits alles. Trotzdem erlebte sie ihre Vision in erschreckender Deutlichkeit. Sie war wieder auf der Terrasse, unter dem Baum. Auch die Gefühle von damals, Übelkeit und Scham, waren mit einem Mal wieder lebendig. Panik drückte ihr Herz zusammen. Hilflos hob sie eine Hand an die Brust.
„Was ist los?“, kam Alexandros’ Stimme von weit her. „Kallie, sag doch etwas!“
Sie bekam keine Luft mehr, konnte nicht atmen. „Ich weiß nicht … ich …“
Das Einzige, was sie mit
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