Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
sich während meiner kurzen Rede erhoben. Als ich ihm das Papier gab, verneigte er sich, ehe er es entgegennahm.
    »Du warst mehr als ein Handlanger - mein Sohn«, sagte er. »Dolmetsch, Waffengefährte, Musiker; und Gefäß meiner Zuneigung. Steh auf. Ich will dich umarmen, ehe ich dies lese.«
    Die Wange, die sich an meine legte, war feucht, und seine Stimme klang ein wenig belegt. Als er mich losließ, sah ich
Avram nicken und lächeln, und Jorgo hatte beide Daumen gereckt.
    Dies war meine Berechnung.

    5 Jahre - 1825 Tage
Tageslohn eines Handlangers 5 Pfennig
1825 mal 5 = 9125 d =
43 fl
95 d

NAHRUNG:
2 lb Getreide mal 1825 = 3650 lb =
11 fl
1 lb Fleisch mal 912 = 912 lb =
17 fl

ANDERES:
Pferd, Sattel, Zaumzeug etwa
150 fl
drei Paar Schuhe
1 fl
80 d
fünf Hosen

90 d
zwei Jacken

45 d
ein Mantel

30 d
Hemden und Kleinigkeiten
1 fl
Degen, Bogen, Pfeile, Messer
10 fl
191 fl
5 d
abzüglich Lohn
43 fl
95 d
SUMMA
147 fl
120 d
    Kassem schwieg eine kleine Weile. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Du bist mein lieber Sohn geworden«, sagte er. »Ich entlasse dich aus allen Pflichten und Verpflichtungen. Aber ich kann von dir kein Geld annehmen. Außerdem« - er lächelte flüchtig - »hast du deinen Verdienst zu gering und meine Ausgaben zu hoch angesetzt.«
    »Das mag sein, Vater, aber wenn ich nichts zurückerstatten kann, werde ich mich ewig unfrei fühlen.«

    Kassem nickte. »Ich verstehe dich. Nun gut - dann gib jedem der beiden fünfzig Gulden, und sobald du das getan hast, werde ich die Rechnung zerreißen.«
    »Fünfzig Gulden!« sagte Jorgo ehrfürchtig. »Aber … aber was willst du tun, kleiner Bruder?«
    »Ich will in einer kleinen Stadt im Süden einen Mann aufsuchen, der eine eiserne Hand hat. Vielleicht kennt er andere Männer mit dieser Auszeichnung.«
    »Dann laß uns reiten«, sagte Kassem. »Bis unsere Wege sich trennen.«
     
    Ich ritt als letzter los. Vorher kniete ich eine Weile am Grab der Eltern. Vergebens versuchte ich, zu beten oder mit ihnen stumme Zwiesprache zu halten. Schließlich bohrte ich das Schwert in die eingesunkenen Reste des Grabhügels, ließ die Halskette meiner Mutter in das enge, tiefe Loch gleiten, klopfte den Boden wieder fest und folgte den anderen.

FÜNF
    D er Beutel enthielt mehr Gold als Silber, und während ich den unfaßbaren Reichtum zu begreifen suchte, der nun mein sein sollte, fragte ich mich immer wieder, woher das Geld stammte und was mein Vater getan hatte, um es zu bekommen. Florentiner Gulden, venezianische Dukaten, französische écus de soleil , flandrisches und englisches Silbergeld, vor allem aber kurfürstliche Gulden aus dem Rheinland, die in allen Gegenden des Reichs nicht nur als Grundlage für gegenseitige Verrechnung geschätzt wurden. Vier bis sechs Gulden, je nach Ort und Umstand, waren der Jahreslohn für einen Knecht, und in Köln hatte ich gehört, eine gewöhnliche, »anständige« Familie - die eines Schreibers oder eines Handwerksmeisters - brauche sechzig bis achtzig Gulden im Jahr, um gut, wenngleich nicht üppig zu leben.
    Und ich trug, wenn ich den Wert der fremdländischen Münzen einigermaßen richtig einschätzte, mehr als eintausendfünfhundert Gulden in diesem Lederbeutel.
    Dadurch änderte sich äußerlich zunächst nichts, inwendig jedoch einiges. In gewisser Weise fühlte ich mich frei, doch war es mir ein Bedürfnis, Kassem weiterhin als meinen Vater und Herrn zu behandeln. Avram und Jorgo, die mich mit freundlichem oder gar liebevollem Spott als kleinen Bruder angesehen und angeredet hatten, versuchten ein paar Tage lang, einen anderen Umgang und Tonfall einzuführen; zum Glück hielten sie es nicht durch, so daß die Münzen,
die ich ihnen gegeben hatte, unser Verhältnis nicht vergifteten.
    Sie gestatteten mir jedoch etwas, das ich ohne sie nicht oder doch nur mit Kassems Hilfe hätte tun können. Kurz nachdem wir die Trümmer des Dorfs verlassen hatten, um uns wieder dem Rhein zu nähern, begann sich ein Gedanke zu formen, und als ich ihn ausreichend begrübelt hatte, trug ich ihn abends am Rastfeuer den anderen vor.
    »Wenn einer der Männer, die ich suche, wirklich aus Köln ist, gibt es dort vielleicht Spuren«, sagte ich. »Jemanden, der sich an ihn erinnert, oder an den Jungen, der er einmal war. Deshalb will ich noch einmal dorthin reiten.«
    »Eine große Stadt mit vielen Menschen.« Kassem wackelte mit dem Kopf. »Dort die Erinnerung an einen suchen, der sich vielleicht bemüht hat, keine Erinnerung zu hinterlassen? Es

Weitere Kostenlose Bücher