Die Rache des Kaisers
könnte bloße Vergeudung von Zeit sein.«
»Eine dreckige Stadt mit vielerlei Gestank.« Jorgo rümpfte die Nase. »Vielleicht hat er dort einen schlechten Geruch hinterlassen; und du willst ihn aus allem anderen herausschnüffeln? Ah bah.«
»Du wirst nicht ruhig schlafen können, wenn du es nicht tust, oder?« sagte Avram. Er blickte Kassem an. »Sollen wir ihn allein reiten lassen?«
»Brauchst du Begleitung, mein Sohn?«
»Ich glaube nicht, Vater. Aber danke für den Vorschlag, Avram. Allein komm ich schneller hin und wieder zurück, und die Wege am Rhein scheinen sicher. Jedenfalls kamen sie mir so vor.«
Kassem nickte. »Wir werden langsam nach Süden reiten und in Mainz, oder vorher, einige Tage rasten.«
Am nächsten Mittag erreichten wir die alte Rheinstraße etwa einen Tagesritt südlich von Koblenz. Dort trennten wir uns. In Köln, das ich ohne Zwischenfälle erreichte, begab ich mich zum Handelshaus, in dem jener Kaufmannsgeselle arbeitete, der mir bei der Aufstellung meiner Schulden geholfen hatte. Er hieß Leo, und er hatte mir nicht nur bei der Rechnung, sondern mehrere Abende und Nächte hindurch auch beim Zechen geholfen.
Er begrüßte mich fröhlich, nannte mir auf eine Frage hin einen Namen und eine Straße, und wir verabredeten uns für den Abend in einer Schänke in der Nähe des ewig unfertigen Doms. Den Bekannten, den er mir genannt hatte, nahm ich abends dorthin mit, und bei Bier, Brot und Käse vollendeten wir die Arbeit.
Das heißt, Leos Freund Anton vollendete sie; ich schlug lediglich Änderungen vor und verwarf etliche Entwürfe. Anton war ein begabter Zeichner und zuweilen von den Kölner Ratsherren gehaßter Verfertiger von Flugblättern, auf denen Vertreter der Obrigkeit als Geier, Ratten, räudige Löwen oder alberne Affen dargestellt waren - je nachdem, was sie gerade begangen hatten. Als die Mitternacht näher rückte, war Leo betrunken, der Freund müde, die Arbeit fertig. Ich hielt vier Blätter in der Hand, auf denen Anton nach meinen Beschreibungen die Gesichter von Wiesel, Moloch, Mordfalke und Bär gezeichnet hatte. Der Bär hatte allerdings beide Ohren; ich konnte ja nicht wissen, wann er das linke verloren hatte und wer sich möglicherweise aus früherer Zeit an ihn erinnerte.
»Danke, Tünn«, sagte ich. »Gute Arbeit; was schulde ich dir?«
»Einen halben Gulden für Papier und Stifte und Zeit. Und noch ein Bier. Was willst du jetzt damit anfangen?«
»Ich werde sie, ah, vor allem das hier, ein paar Leuten zeigen und Fragen stellen.«
Er nickte. »Fang am besten in den alten Schänken am Hafen an.«
Das tat ich, und als ich zehn Tage später die anderen bei Bingen traf, hatte ich einen vollständigen Namen und eine unvollständige Geschichte.
»Lukas Haspacher.« Ich zeigte Kassem, Jorgo und Avram das Bild des Bären. »Er hat vor über zwanzig Jahren einen reichen Kölner Bürger erschlagen und beraubt. Damals war er achtzehn. Seine Verwandten, Tagelöhner und arme Handwerker, leben noch in Köln, aber sie wollten mir nichts sagen. Die Nachbarn behaupten, hin und wieder hätte es Gerüchte oder Geschichten über ihn gegeben, aber alle sind sich einig, daß es dieser Mann ist.«
»Der Ritt hat sich also gelohnt, mein Sohn«, sagte Kassem.
»Dafür, mein Vater, hätte ich sogar zu Fuß nach Köln gehen mögen.«
Wirre Gerüchte aus dem Süden ließen uns mit dem Aufbruch zögern, und jeden Tag hofften wir, mehr zu erfahren. Aber weder die Amtsleute des Kurfürsten bei Rhein, fern vom kurpfälzischen Machtzentrum Heidelberg, noch die Wächter und Wirte im Lande des Erzbischofs von Mainz konnten uns viel berichten.
»Die Bauern rotten sich überall zusammen - mehr wissen wir nicht«, sagte ein Mann in einem Gasthaus außerhalb von Mainz, in dem wir Schankraum und Schlafsaal mit sechs weiteren Reisenden zu teilen hatten.
»Sie rotten sich nicht zusammen«, sagte einer der anderen Gäste. »Sie erheben sich - sie stehen auf - sie fordern,
daß man sie als Menschen behandle, nicht als Vieh. Nennst du das zusammenrotten? Ich nenne es gerechtes Aufbegehren.«
»Wie auch immer du es nennst«, sagte Jorgo, »es macht das Reisen schwierig.«
Bis dahin hatte ich mich nicht sonderlich um die Gerüchte gekümmert. Bauernaufruhr im Elsaß, im Allgäu, in Schwaben, in den württembergischen Landen - nun ja, was auch immer die Ursachen sein mochten, viel konnten ein paar mit Mistgabeln und Sensen bewaffnete Bauern wohl kaum gegen die Söldnertruppen der
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