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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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später von selbst wieder aufdrängen.
    Wir hatten gehört, neu angeworbene Soldaten des Kurfürsten hätten die Straße nach Heidelberg und das dortige Hinterland wieder sicher gemacht. Also ritten wir verschneite Weinberge entlang und durch eisige Städte am Rhein, um uns an einer für die Weiterreise günstigen Stelle übersetzen zu lassen.

SECHS
    D as Schiff hieß Miralda, der Herr und Eigner nannte sich Alberto Samper - der Große Alberto, wie ein grelles buntes Schild an der Bordwand verkündete. Es zeigte, abgesehen von dem Namen, vor allem leichtbekleidete Maiden, einen Bären, eine Laute und den Stab und spitzen Hut eines Zauberers.
    Die Miralda ankerte nördlich der Stadtmauer von Oppenheim, einige hundert Schritte flußabwärts. So, wie es im seichten Uferwasser lag, konnte es nur geringen Tiefgang haben. Es war ein breites, behäbiges Schiff mit einem gewöhnlichen Mast in der Mitte und einem kleineren weiter vorn. An den Seiten gab es seltsame Mühlräder; das Heck war erhöht, und auf dem Dach der Kajüte stand ein Mann. Er trug einen leuchtend roten Mantel und einen breitkrempigen gelben Hut mit schillernden Federn; auf die Heckreling gestützt starrte er ins graue Wasser. Sein Gesichtsausdruck, falls ich ihn vom Ufer aus richtig deutete, schwankte zwischen Verdruß und Entsagung. Wozu die hängenden Enden des Schnurrbarts zweifellos beitrugen.
    »Seid Ihr der Herr dieser Barke?« sagte ich.
    Er hob den Kopf und sah zu mir herüber. »Ich bin der Große Alberto Samper, Fürst dieses schwimmenden Palasts. Was ist Euer Begehr?«
    »Eine Frage.«

    Er hob die Arme und ließ sie in einer Gebärde der Verzweiflung fallen. »Fragen sind entweder klug oder dumm«, sagte er. »Die klugen Fragen erweisen die Dummheit des Antwortenden, und die Dummheit dessen, der dumme Fragen stellt, vermag die Klugheit des klug Antwortenden nicht auszuloten.«
    Ich lachte. »Ich sehe, Ihr seid ein Philosoph. Darf ich an Bord kommen?«
    Er deutete auf den Steg, der mittschiffs neben dem ufernahen Mühlrad Bordwand und Land verband. »Seid mir willkommen. Alles, was die Ödnis unterbricht, soll man preisen.«
    Er erwartete mich auf dem erhöhten Achterdeck, wobei er die schlappen Flügel seines Schnurrbarts in die Höhe zu zwirbeln suchte.
    »Welche Fragen plagen Euch«, sagte er, »und welche Antwort könnte die Plage lindern?«
    »Ich habe mit einigen Gefährten Unterschlupf in der Stadt gesucht und Fragen gestellt. Der Wirt der Herberge sagte, am Ufer liege dies prächtige Schiff, und sein Herr sei ein kundiger und weitgereister Mann und besser geeignet, solchen Fragen zu lauschen. Habt Ihr einen Tisch?«
    Er blinzelte. »Ist das die Frage?«
    »Ich wollte Euch einige Zeichnungen zeigen, die vielleicht auf einem Tisch ausgerollt werden könnten.«
    Er nickte, blickte in den grauen Spätnachmittagshimmel, aufs graue Wasser, hob die Schultern und sagte: »Zeit für einen kleinen Trunk, der Fragen mildert und Antworten klüger klingen läßt, als sie sind. Kommt, folgt mir.«
    Wir stiegen vom Achterdeck hinab; er öffnete die Tür zur Kajüte und deutete hinein. »Meine karge Heimstatt. Nach Euch.«

    Die karge Heimstatt war ausgelegt mit dicken Teppichen. Mitten unter dem breiten Heckfenster stand ein kleiner Ofen aus Eisen. Er wärmte den Raum, und da ich keinen Rauch bemerkt hatte, nahm ich an, daß das Feuer darin eben erst erloschen war. Ich sah Truhen aus kostbaren, fein beschnitzten Hölzern, ein Regal voller Bücher, ein an Wand und Boden befestigtes breites Bett, neben dem Bett einen Schreibtisch, neben dem Ofen eine Bank, drei gepolsterte Stühle und einen kleineren Tisch, auf dem eine umwickelte Flasche mit vier Bechern stand.
    »Karg, fürwahr.« Ich pfiff leise.
    »Zur Entspannung zwischen Kunst und Krieg.« Er füllte zwei Becher, reichte mir einen, ließ sich auf einen der Stühle sinken und sagte: »Setzt Euch. Wer seid Ihr?«
    »Jakob Spengler. Ein reisender Spielmann mit Fragen und einer langen Suche.«
    »Spielmann?« Er klang zugleich erfreut und abwehrend.
    »Sorgt Euch nicht - ich suche keine Arbeit.«
    Er trank einen Schluck, wischte sich den Mund mit dem Handrücken und grinste. »Gut. Aber da wir dem gleichen Stand angehören, können wir auf die Förmlichkeiten verzichten. Trink, Bruder Spielmann, und sag, was du spielst und was du suchst.«
    »Die Fiedel. Und diese Männer.« Ich zog die gerollten Zeichnungen aus der Jacke und legte sie auf den Tisch. Dann trank ich, während er die Blätter

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