Die Rache des Kaisers
Suche und dem Verweilen, zwischen zeugen und töten.
Es war meine Hand, die die Flaschenbürste ins eigene Gemüt gestoßen hatte. Und in Lauras, ohne Bedenken, ohne Zögern.
Nachmittags entdeckten wir die Gesandtschaft. Sie kam uns entgegen, auf der Straße von Padua nach Mestre und Venedig. Wir waren zwei müde Wanderer, nahezu unsichtbar im Schatten eines Baums; und vor der Kutsche des päpstlichen Legaten ritt Giambattista Piranesi, das furchtbare Wiesel.
Kein Zweifel, er war es. Und kein Zweifel auch, daß es unmöglich war, sich ihm zu nähern. Zehn Reiter, fünfzig Fußsoldaten, dazu Knechte und Diener und die Kutscher des Legaten und der Troßkarren.
Aus den müden Wanderern wurden streunende Zecher, die in Venedigs Tavernen nach den Soldaten des Papstes suchten; die waren jedoch in einem weiträumigen Palast untergebracht, und bei denen, die sich abends gelegentlich in Schänken zeigten, war nie das Wiesel.
Als zu hören war, die Verhandlungen seien beendet und der Legat werde am übernächsten Tag abreisen, schickte ich Avram aufs Festland, um Pferde zu beschaffen. Ich ging zur Niederlassung der Fugger. Dort wollte ich Geld besorgen und einen vertrauenswürdigen Menschen mit einem Auftrag versehen, aber zunächst erwartete mich eine Überraschung.
Sie kam in der Gestalt eines kleinen Briefs. Das Schreiben bestand aus wenigen Wörtern: »Wieder da, du auch? Bitte melden«, gefolgt von der Beschreibung eines Hauses und den Unterschriften von Jorgo und Karl.
Drei Tage später brachen wir auf, zu viert, der Gesandtschaft folgend. Mit Hilfe der Fugger und eines ihrer rechtskundigen Schreiber hatte ich das bisher gemietete Haus am Rand von Mestre gekauft. Bei einem kargen Abschied, belastet von hunderttausend nicht gesprochenen Worten, gab ich Laura die Urkunde und bat sie, auf das Haus zu achten. Und ich hatte bei den Fuggern und den Welsern verfügt, meine Guthaben aus Augsburg abzuziehen und die Konten ab sofort in Venedig zu führen. Ich sah mich eher nach Venedig, zu Laura, als ohne sie nach Deutschland zurückkehren.
Jorgo und Karl hatten nahezu alles Geld verloren, vertrunken, verspielt, verpraßt. Die Witwen von Capo d’Istria waren nicht abgeneigt - wie die beiden behaupteten -, sich trösten zu lassen, doch wollten sie sich von Fischern trösten lassen, die vor der gründlichen Verabreichung des Trosts - »na ja, nach gründlicher Vorbereitung, aber irgendwann
wollten sie Knoten machen, oder wenigstens Schleifen, und wir möchten die Schnüre lieber baumeln lassen, weißt du, und als Fischer sind wir nicht so richtig gut« - priesterliche Handreichung oder Handlangerdienste begehrten. Die beiden hatten sich mit ihren letzten Münzen in die letzte und schäbigste aller Unterkünfte Venedigs begeben, bei den Fuggern und Welsern nach mir gefragt, erfahren, daß ich noch in der Nähe sei, daß aber niemand wisse, wo genau. Seit zwei Monaten hatten sie sich mit Tagelöhnerei über Wasser gehalten - als Träger, Boten, Wächter …
»Gut, daß wir endlich wieder reiten«, sagte Jorgo, als wir Mestre vielleicht eine Stunde hinter uns gelassen hatten. »Freie Luft. Und gut, daß du uns gefunden hast, kleiner Bruder.« Dann schüttelte er den Kopf und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Zwar ritt er neben mir, aber die Hufschläge der Pferde und ein leichter Wind machten Gemurmel und Flüstern fast unhörbar.
»Was brummst du vor dich hin?« sagte ich.
»Ich habe mich beschimpft«, sagte Jorgo. Er blickte mich von der Seite an. »Ich glaube, statt ›kleiner Bruder‹ sollte ich jetzt ›Herr‹ sagen.«
Ich hob die Schultern. »Für mich hat sich nichts geändert. Wie wär’s einfach mit Jakko?«
Karl, links hinter uns, sagte betont laut zu Avram: »O die hinfälligen Sorgen der Ungläubigen! Da zerbrechen sie sich den Kopf über Anreden; dabei geht ein milder Wind und wir reiten. Was will man mehr?«
Ich wollte mehr, aber es dauerte noch zehn lange schlimme Monate, bis ich es erhielt.
Papst Clemens VII. und François I. hatten zusammen mit dem Herzog von Mailand, Francesco Sforza, der Republik
Venedig und kleineren norditalienischen Fürsten die Heilige Liga von Cognac gebildet, gegen Karl V., Spanien und das Reich. Henry VIII. ging zur Liga, in Deutschland sorgten sich Evangelische und Katholiken eher darum, einander die Kehlen zu schlitzen, als um die Wünsche des Kaisers. Überall in Norditalien wurden Truppen zusammengezogen, für die Liga; dem Kaiser waren einige
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